Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
auf jedes Gefäß und strich
mit den Fingern etwas um den Rand, das köstlich nach Honig
roch. Wachs? Wahrscheinlich.
"Und das funktioniert?" staunte Leo.
Ronan lachte. "Wenn man singen kann. Der Mond ist
ziemlich wählerisch. Aber wir sammeln für die mit, die beim
Heulen und singen nicht die Töne treffen, also kein Problem."
"Beim Heulen?" Langsam verstand Leo überhaupt nichts
mehr.
"Was denkst du denn, warum Wölfe den Mond anheulen?
Weil es ihnen Spass macht?" Ronan sammelte die kleinen Krüge
ein und stellte sie auf ein Tablett.
"Alles wird von Magie in Gang gehalten, und wir nutzen
die Magie des Mondes für unsere Bedürfnisse."
"Oh."
Ronan kam zum Höhleneingang und setzte sich neben Leo,
der immer noch auf dem Bauch lag.
"Ich verrate dir etwas. Ein bisschen singe ich auch, weil es
mir Spass macht."
Nun war es Leo der lachte. "Ein bisschen? Ich habe dich
gehört. Du kannst nicht anders, es ist wie bei mir mit dem Malen.
Wenn man es nicht tut, bringt es einen ganz langsam um den
Verstand."
Ronan wandte sich ihm zu, starrte ihn an. Öffnete den
Mund, schloss ihn wieder. Öffnete ihn erneut.
"Du kennst das Gefühl?" fragte er fassungslos.
"Seit ich das erste Mal einen Stift gehalten habe. Heiliger
Zipsel, gab das ein Geschrei, als denen klar wurde wer immer die
Kohlestifte für die Listen mopste. ´Unnütz, Zeitverschwendung,
unwichtig´ war noch so das Freundlichste, was ich über meine
Malerei zu hören bekommen habe."
Ronan wischte sich mit dem Handrücken unter der Nase
entlang. Er hatte doch nicht geweint? Hatte er ihn schon wieder
gekränkt?
"Du malst? Zeig mir etwas!"
Zum ersten Mal in seinem Leben reagierte Leo nicht auf
diese Aufforderung.
Bilder schossen vor seinem inneren Auge vorbei, davon,
wie er sich aufgedrängt hatte mit seinen Kunstwerken. Seiner
Mutter. Seinem Vater. Seinem Bruder Flachs. Seinen Schwestern,
Birnchen und Heuhälmchen. Er wollte, dass jeder seine
Kunstwerke sah, dass man ihn lobte, die Bilder aufhängte.
Aber das hier war etwas anderes. Er hatte nur die Skizzen
von Ronan dabei. Vielleicht wollte der nicht gezeichnet werden?
Und was, wenn seine Bilder nicht gut genug waren? Waren seine
Linien so unmissverständlich wie Ronans Töne? Er schluckte.
Vielleicht, vielleicht auch nicht.
"Bitte" flüsterte Ronan.
Leo versteifte sich. "Das ist sehr persönlich."
"Du hast mir beim Singen zugehört" sagte Ronan.
"Ja, aber du hast nicht für mich gesungen, sondern für den
da…" Er nickte in Richtung Mond. "Sing´ für mich, dann zeige ich
dir meine Skizzen."
Ronan ließ den Kopf hängen, fummelte zwischen seinen
angezogenen Knien mit einem dürren Grashalm herum.
"Ich hab´ keine Gefäße mehr."
Leo dämmerte es. Die Gefäße waren Ronans Listen, seine
Stimme die Kohlestifte.
"Du brauchst die Gefäße nicht. Es ist in Ordnung, einfach so
zu singen."
Eine Weile sagte keiner von beiden etwas.
Bis Ronan fröstelte. Leo zog Ronans Shirt wieder aus und
hängte ihm das noch warme Kleidungsstück über die Schultern.
"Danke" sagte Ronan.
Dann begann er zu singen, einfach nur so, und das
Mondlicht strahlte heller und drehte auf dem Boden vergebens
kleine Wirbel auf der Suche nach einem Gefäß.
*
Als er erwachte kitzelten ihn die Strahlen der Sonne. Der
Tagesstern hatte offenbar weniger Bedenken bis in seine Ecke
vorzudringen als das Nachtgestirn. Leo reckte und streckte sich,
bis seine steifen Glieder wieder geschmeidig waren, dann erhob
er sich leise und sah in Ronans Ecke hinüber. Der Wolfsjunge
schlief, eingerollt wie ein Hund aber mit einer Hand unter der
Wange. Leo spürte ein Glucksen in sich aufsteigen. Es tat gut,
beim Erwachen einen echten Freund zu sehen, jemanden, der ihn
wirklich verstand. Und nicht auffraß.
Er rollte seine Decke ein und legte sie ordentlich neben den
Wäscheständer. Ein Blick in die Ecke. Ronan schlief noch immer.
Leo trat in den klaren Morgen und gab Blau, den er gestern noch
angebunden hatte, Wasser aus dem Eimer. Die Möhren von
gestern lagen auf einem Haufen, er schob das Futter dichter an
Blau heran, so dass der Hengst es erreichen konnte, nahm sich
selbst auch eine Möhre und begann die Satteltaschen zu
durchwühlen.
Mit Pergament, Radierer, frischem Kohlestift und Möhre
gewappnet schlich er wieder in die Höhle, hockte sich auf den
Boden und begann den Schlafenden zu zeichnen. Ronan hatte
sicher nichts dagegen, so wie er Leos Bilder gestern gelobt hatte.
Ihm wurde immer noch ganz warm vor
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