Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
beinah wieder umdrehen
lassen, aber sie fasste sich in Herz und trat ein.
In der Schenke war es stickig.
Trotz der groben Bohlen starrte der Boden so vor Dreck,
dass Julie mit den Ledersohlen ihrer Stiefel festklebte. Ein
unrasiertes Gesicht tauchte dicht vor ihr auf, die Zähne braun
vom Kautabak.
"Na, Süße, suchst du einen Freund? In meinem Bett ist noch
etwas frei. Und du riechst so gut."
Sie schob den Widerling mit spitzen Fingern an der Schulter
von sich fort.
"Danke. Nein. Sag mir lieber, wo ich einen Dunkelelfen
finde."
Sie hatte nicht besonders laut gesprochen, aber der Lärm im
Raum verstummte schlagartig; aller Augen wandten sich ihr zu.
Einer der breitschultrigen Männer in den groben Hemden,
die am Tresen standen, war es ein Waldarbeiter?, rief dem
Widerling vor ihr zu:
"Steen, kennst du die etwa?"
Der Alte wich zurück. "Ich? Nein! Ich schwörs. Zum ersten
Mal gesehen, heute, wollte mir nur einen kleinen Spaß machen."
Der Barmann stellte das Glas weg, auf dem er gerade den
Dreck gleichmäßiger verteilte, warf das schmuddelige
Trockentuch über seine Schulter und stütze sich auf die Fäuste.
"Mädel, du hast Nerven. Raus aus meiner Kneipe. Und
wenn du am Leben bleiben willst, reiß die Klappe nicht so auf."
Sie war schon auf dem Weg zur Tür, da rief der
Waldarbeiter ihr noch nach:
"Wenn du einen vor denen siehst, sag ihm, wir erwischen
ihn noch."
Ehe sie sich versah, trug das Gelächter Julie in die flirrende
Hitze des frühen Nachmittages. Der Lärm im Inneren der
Kaschemme setzte wieder ein.
Aewore schien nicht die einzige zu sein, die keine gute
Meinung von den Dunkelelfen hatte.
Julie band Go los und warf den Zügel über seinen Kopf. Sie
hatte schon die Linke am Sattelknauf, als sie um die Taille gefasst
und hochgehoben wurde. Jemand drehte sie mit Schwung herum.
Mathys, war ihr erster Gedanke. Dann fiel ihr alles wieder
ein und Tränen traten ihr in die Augen.
"Wollen doch mal sehen, wie du von Nahem aussiehst, du
warst so schnell wieder verschwunden…"
Ein hochmütiges Gesicht, weit über ihr. Schwarzes Haar,
lang und zurückgekämmt, mit einzelnen Strähnen die vom Kopf
abstanden wie die Stacheln eines Drachen. Ohren, die deutlich
spitzer waren als die von Daan, selbst als die von Bamoth. Das
schwarze Leder vor ihr umschlang den schlanken Körper eng,
gehalten von einem breiten Gürtel mit einer Schließe, die einem
Alptraum- Monster mit glühenden Augen nachempfunden war
und deren schwere Verzierungen bis in den Schoss des Fremden
reichten. Ein Schwertgurt mit einem höllisch scharf wirkenden
Eineinhalbhänder vervollständigte das Bild.
Julie wusste nicht woher sie ihre Gewissheit nahm, aber vor
ihr stand eindeutig ein Dunkelelf. Wo kam der her? Und wieso
hatte er sie gesehen, er war doch gewiss nicht in der Schenke
gewesen, dort, wo alle nach ihm suchten.
"Wo kommst du denn so plötzlich her?" fragte sie.
Er nickte in Richtung Schenke.
"Vom Dach. Da ist es schön kühl um diese Zeit."
"Du musst mir helfen", platzte Julie heraus.
Der Elf kam dichter, beugte sich etwas herab, bis seine Stirn
fast die ihre berührte, schob ihre Haare zur Seite und zupfte an
ihrem Ohr. Ein Kribbeln fuhr Julie über die Haut, breitete sich
vom Ohr zu Hals und Nacken und weiter über ihren Rücken aus.
Die ledernen Verzierungen an seinem Arm standen steif und spitz
ab. Eindeutig keine Freizeitkleidung, eher Kampfmontur. Julie
schluckte. Waren die wirklich so gefährlich?
Ronan in Tallyn
Er legte seine Hand auf Leos Stirn; selbst durch das Fell war
zu spüren, wie heiß die Haut darunter war. Leo versuchte sich zu
drehen, kam aber gegen den geschwollenen Arm und stöhnte.
Ronan konnte fühlen, wie der Gager wieder in die
Bewusstlosigkeit rutschte.
Er nahm die Schüssel und das Tuch und trat vor die Höhle.
Wie oft war er heute schon zum Fluss gegangen und hatte das
Wasser gewechselt? Er wusste es nicht. Was blieb zu tun, wenn
Wadenwickel nicht halfen? Wenn alle Kräuter, die er gegen
Entzündungen nach Bissen kannte, versagten? Einen Wolf ließ
das Rudel in so einer Situation eben sterben- nur die Stärksten
hatten das Recht zu überleben. Aber Leo sterben lassen? An wen
konnte er sich wenden, wenn ein Freund, sein bester Freund, sein Freund, Hilfe brauchte? Die Wahrheit war bitter. An niemanden.
Nicht einmal an seine Schwester. Was auch immer er tat, er
musste es alleine tun. Und vor sich verantworten. Er würde es
nicht ertragen, wenn Leo etwas zustieß.
Es
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