Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
war Zeit zu handeln.
"Was tust du?" flüsterte der Gager, wieder erwachend.
"Schscht, nicht anstrengen; ich bringe dich zurück zu
deinem Rudel. Wo willst du genau hin?" fragte er.
Leo versuchte, sich aufzurichten, sackte aber mit einem
Stöhnen zurück auf das weiche Lager, das Ronan ihm gebaut
hatte.
"Das kannst du nicht", flüsterte er. "Meine Mutter wohnt in
Gagrein. Da werden sie dich zerreißen, bevor du der Stadt auch
nur nahe kommst. Und nach Tallyn kannst du auch nicht. Sie
werden dich sehen, mein Onkel wird dich sehen. Er wird dich riechen. Und töten. "
" Das ist mir egal. Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst.
Ich…ich…"
Ronan brach ab. Er wollte Leo sagen, dass er alles für ihn
war. Mehr als der Mond. Doch er brachte kein Wort über seine
Lippen.
"Ronan?"
"Ja?" fragte er.
"Ich weiß, ich kann dich eh nicht davon abhalten; spätestens
wenn ich bewusstlos werde, tust du doch was du willst…"
"Kluger Junge", sagte Ronan unter Tränen.
"Aber tu mir einen Gefallen. Nicht nach Gagrein, lieber nach
Tallyn. Halte dich um Zipsels willen vom Stall fern. Betritt Tallyn
von Westen. Such nach Julie, sie ist die Stellvertreterin der
Hüterin, kann heilen und ist meine eine Freundin."
"Mach ich. Tallyn. Vom Stall fernhalten. Julie suchen. Von
Westen kommen." Er lächelte Leo an, doch der Gager hatte die
Augen schon wieder geschlossen, und mit seinen wachen
Wolfssinnen spürte Ronan, dass sein Freund nicht mehr bei
Bewusstsein war. Seufzend machte er sich daran, Blau zu satteln.
Er konnte nur hoffen, dass das Pferd ihn dazu dicht genug heran
ließ, es wurde noch immer ganz nervös von seinem Wolfsgeruch.
*
Ronan war froh über Leos neuerliche Bewusstlosigkeit. Der
Weg war steinig gewesen und das ewige Rütteln war Ronan
durch Mark und Bein gegangen, weil Leo jedes Mal vor Schmerz
gestöhnt hatte. Und dann dieser riesige Umweg, nur um von
Westen her an die Stadt heranzukommen. Beinahe wäre er vom
Plan abgewichen und einfach von Osten her auf Tallyn zugeritten,
nur, damit es schneller ging, aber er war an sein Versprechen
gebunden. Ronan hielt sanft den Kopf seines Freundes, damit er
nicht gegen Blaus Bauch schlug. Wenigstens spürte Leo in diesem
Zustand keine Schmerzen.
Die Bauten Tallyns waren von hier aus deutlich zu sehen,
nur ein kleines Stück Weg durch einen schmalen Waldstreifen
trennte ihn noch von der Hilfe. Ronan hielt Blau an, löste die
Riemen der Deckenrolle und breitete das weiche Wolltuch auf
dem Boden aus. Behutsam zog er Leo vom Pferd, froh über seine
Wolfskräfte, und ließ den schlaffen Körper sachte auf die Decke
gleiten. Blau musste er nicht führen; der Hengst stellte sich von
ganz alleine neben seinen Reiter und schnaubte.
"Pass bloß gut auf ihn auf, Blau. Wenn ich zurückkomme
und er ist- es geht ihm nicht gut, dann wirst du sehen, was du
davon hast."
Ronan wollte sich schon umwenden, erstarrte aber mitten in
der Bewegung. Blau hatte Maul und Nüstern auf seinen Arm
gelegt und stupste ihn. Tränen schossen Ronan in die Augen.
Es musste verdammt schlecht um Leo stehen, wenn Blau
Trost bei einem Wolf suchte. Vorsichtig tat er etwas, dass er noch
nie getan hatte: er streichelte den Hals eines Pferdes. Und es
fühlte sich gut an. Blau hatte eine Antwort verdient.
"Ich muss los", sagte Ronan und lief, immer schneller. Ihm
blieb nicht mehr viel Zeit.
*
Er fragte den erstbesten, einen drahtigen Mann mit breiten
Schultern und blondem Pferdeschwanz. Ronan spürte mit allen
Sinnen, wie gefährlich der Mann war, aber er roch auch, dass der
gerade nicht auf einen Kampf aus war.
"Bitte, könnt ihr mir sagen, wo ich Julie finde? Sie ist die
zweite…" Ronan kam nicht dazu den Satz zu Ende zu bringen.
"Hüterin." ergänzte der Blonde.
"Ihr kennt sie? Oh, bitte, ich muss zu ihr, es geht um einen
Notfall", sagte Ronan.
"Sie ist nicht hier. Ausgeritten, vermute ich."
"Ausgeritten? Aber ich muss jetzt gleich zu ihr, es ist
wichtig."
Der Mann sah ihn forschend an. "Du wirst dich wohl
gedulden müssen, Freund. Was ist denn so dringend, dass es
keinen Aufschub duldet? Mein Name ist Chris, vielleicht kann ich
dir helfen?"
Ein Mann näherte sich ihnen, schnell. Und aufgeregt, wie
Ronan riechen konnte. Der Man schien nur aus Muskeln und
Sehnen zu bestehen, die schwarzen Haare und das kantige Kinn
gaben ihm etwas Wildes. Beim Mond, waren alle in der Stadt so
gefährlich? Ronan spürte das Bedürfnis sich zu verwandeln und
abzuhauen.
"Palaron, was gibt es?" fragte
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