Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
traute, fiel er dem Ritter auch noch ins Wort:
"Ich komme dich…"- "Wirst du wiederkommen?"- "…wieder
besuchen"
Beide lachten; der nun nicht mehr ganz so Fremde, Chris, legte
ihm die Hand auf den Kopf und verstrubbelte ihm den morgens
mühsam gebändigten Lockenschopf. Ritter Chris wurde wieder
ernst.
"Wirst du mir einen Gefallen tun, kleiner Knappe?"
Jan-Mathys nickte so heftig, dass seine Zähne aufeinander
schlugen.
"Trink den Tee, den deine Mutter dir gibt, die Kräuter sind
wichtig damit- du so groß und stark wirst wie ein anderer Ritter,
den ich einmal gekannt habe."
"Was ist mit dem Ritter geschehen?"
"Er ist gestorben."
"Oh", flüsterte Jan-Mathys. Er senkte den Kopf.
Chris hockte sich vor ihn, sodass sie beide auf einer Höhe waren
und die Schwertscheide mit der Spitze durch den Sand fuhr.
"Er ist nicht gestorben, weil er nicht stark genug war, sondern um
etwas sehr Wichtiges aus den Händen der Feinde zu befreien, den
Südstein. Verstehst du das?"
Jan-Mathys nickte, schaute seinen neuen Freund aber nicht an
dabei. Erst als Ritter Chris wieder auf dem Pferd saß und "Gib auf
dich acht" sagte, sah er zu ihm hoch.
"Du auch."
Der Ritter schnalzte mit der Zunge und das Pferd trottete los. Sie
waren schon fast an der Wegbiegung verschwunden, als JanMathys ihm nachrief:
"Und? Hat er es geschafft?"
Ritter Chris hielt inne.
"Was geschafft?"
"Das wichtige Südstein-Ding zu befreien."
Der Ritter lachte wieder und rief, bevor er seinem Pferd die
Fersen gab: "Das hat er, Mathys, das hat er."
*
Es war bald Mittag. Die Kräuter lagen noch auf dem Tisch. JanMathys zerrieb eines der länglichgrünen, festen Blätter und roch
daran. Den Geruch kannte er. Es war Anthoskraut, seine Mutter
hatte es zu Weihnachten an den Braten gegeben- Himmel, hatte
das Fleisch geschmeckt. Die Tür klappte. Er warf den Stängel
zurück auf den Tisch und verbarg die duftenden Finger auf dem
Rücken.
Sie lächelte, also hatte Mutter nicht gemerkt, dass er die Kräuter
angefasst hatte.
"Nun, Junge, hast du dich in deiner Ehrentagsfreizeit draußen
vergnügt?"
Blass sah sie aus.
"Ja, Mutter."
"Schön, dann ist es wieder Zeit zu helfen." Sie raffte alle Stängel
des Krautes zusammen, einen ganzen Arm voll, und drückte sie
ihm an die Brust. Jan-Mathys griff zu und atmete auf- der Geruch
an seinen Fingern fiel bei dem starken Aroma des riesigen
Bündels nicht auf. Ihr nächster Satz machte ihn zittern.
"Bring das zum Schwein und wirf es in den Trog."
Das geheime Portal
Überall am blauen Himmel standen die Rauchsäulen der
Mittsommernachtsfeuer.
Hier im Wald tauchte die Sonne jeden einzelnen Stamm in
ein unwirkliches Gold. Unfassbar, dass das geheime Portal so
dicht an der Dryadenquelle lag und Dendra nichts davon wusste.
Andererseits auch wieder logisch, bedachte man wie selten dieser
Zugang genutzt wurde und wie gut er versteckt war. Lediglich
ein kleines Dreieck aus bemoosten Steinen markierte die genaue
Stelle an der das Portal durchlässig war. Als wildes Portal war es
nicht besonders leistungsfähig, hatte Jarron ihr erklärt. Zwei
leichte oder eine schwere Person reichten aus, um es an seine
Belastungsgrenze zu bringen.
Es war eine milde Nacht, und obgleich Julie nicht kalt war,
zog sie in Erwartung dessen, was kommen würde, ihre Jacke
enger. Sie rieb sich die helle Narbe an ihrem Arm; die Stelle
schmerzte nicht mehr, aber die Narbe juckte, wenn Jarron sich
näherte. Was auch immer die Heilung des Dunkelelfen damals in
ihr bewirkt haben mochte, es hatte sie verändert.
Julie seufzte. Wenigstens konnte sie mit dem Übertritt in die
dritte Ebene verhindern, dass sie älter wurde, das musste einiges
wieder ausgleichen.
"Hey, Halbdryade."
Jarron. Das Gesicht spöttisch wie eh und je, die kurzen
schwarzen Haare am Oberkopf noch immer hoch gestellt wie der
Widerrist eines Drachen.
Selbst in dieser warmen Nacht trug er den langen
Ledermantel, in dem sie ihn kennengelernt hatte, dabei liebte er
die Kälte. Inzwischen war der Mantel am Saum etwas abgeschabt;
Julie hätte nicht sagen können, ob der Mantel dort schwarz oder
dunkelrot war. Eng gegürtet, die glühenden Augen des Monsters
auf der Schnalle frisch poliert, stand er so plötzlich vor ihr, wie es
nur ein Dunkelelf konnte.
"Hey, Elf", antwortete Julie. Sie wusste, das würde ihn
ärgern. Noch immer war sie sauer, dass der Weg, den Jarron ihr
schon in der ersten Mittsommernacht gezeigt hatte, so unbequem
war.
Schmerz. Blendung. Übelkeit.
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