Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
rannte zu dem Bären und zog die
Grillgabel aus dessen Wunde. Der Bär ließ sie brav gewähren.
Eine böse blutende Wunde klaffte auf, und Blut nässte das Fell
des Tieres. In Jan-Mathys Kopf summte es. Was hatte das zu
bedeuten?
Tari wandte sich um. "Du hast ihm wehgetan. Ich dachte, du
wärest nett, netter als die anderen, aber weißt du was, du bist ein
Tierquäler!"
Jan-Mathys schluckte und senkte den Kopf. Aber hatte er wirklich
etwas falsch gemacht? Er straffte sich und sah sie an.
"Ich wollte dich beschützen; ich dachte..."- er stockte.
Tari zerrte an ihrem Rock, riss einen Streifen aus dem Stoff und
presste ihn dem Bären, der sich inzwischen hingesetzt hatte, auf
die Wunde.
"Geht es?" fragte sie den Bären.
Zu Jan-Mathys Verwunderung nickte der. Konnte er sie
verstehen?
Tari sah Mathys an.
"Du dachtest, der Bär ist böse?"
"Ja."
"Und du wolltest mich retten?"
"Genau, ich…"
"Ein anderer Bär hätte dich umbringen können."
"Ich weiß, ich- ich wollte nicht das dir etwas passiert." Wenn nur
seine Hände nicht so zittern würden. "Wir sind doch Freunde,
oder?"
Tari lachte hell auf. Sie trat auf Jan-Mathys zu, zog ihn am Hemd
zu sich herunter, gab ihm erst einen Kuss auf die Wange und
dann eine schallende Ohrfeige.
"Klar sind wir Freunde", sagte sie.
*
Tari war mit dem Bären im Wald verschwunden; Jan-Mathys
hatte sie nicht davon abgehalten. Er war zwar neun und sie erst
fünf, aber im Augenblick war er sich nicht sicher, wer sich hier
kindischer benommen hatte. Wieso hatte er nicht genau
hingesehen? Hätte er sehen müssen, dass der Bär dressiert und
völlig ungefährlich war? Jan-Mathys stopfte die Hände in die
Jackentaschen, und der glibberige Rest des Hühnchens erinnerte
ihn an seine Zusage der Alten gegenüber. Siedend heiß fiel ihm
ein, dass er auch den Stand alleine gelassen hatte- von der
gestohlenen Grillgabel ganz zu schweigen. Er suchte die Gabel,
fand sie etwas abseits auf dem Boden und wischte sie am Gras
sauber. Als er das ganze Blut sah, wurde ihm schlecht. Das arme
Tier, und alles nur, weil er so dämlich war.
Nicht mehr zu ändern. Er würde jetzt die Gabel zurückbringen
und dann zum Stand flitzen, in der Hoffnung, dass die Alte sich
beim Suchen viel Zeit gelassen hatte.
Er wandte sich um und suchte die Stände ab. Von welchem hatte
er nur die…
Mist. Seine Eltern standen bei den Tischen und schauten suchend
umher; wenn sie ihn erst einmal gefunden hatten, würden sie
bestimmt nach Hause fahren. Er wollte doch noch mit Tari reden.
Ohne nachzudenken rannte Jan-Mathys los, flitzte um die Ecke
von einer der Holzhütten und presste sich keuchend eng an die
rauen Bohlen. Nach einer Weile klopfte sein Herz etwas
langsamer und Jan-Mathys kam wieder zu Atem. Vorsichtig lugte
er um die Ecke der Hütte. Seine Eltern waren immer noch da,
fragten an den Ständen, wie es schien.
Er wich einen Schritt zurück. In diesem Moment drückte etwas
schwer auf seine Schultern, hinter ihm erklang ein dumpfes
Grolles. Als weder der Druck noch das Grollen aufhörten, senkte
Jan-Mathys ganz langsam den Kopf und schaute aus dem
Augenwinkel, was sich da auf seine Schulter presste. Die langen,
schwarzen Krallen und das Fell ließen ihm keine Hoffnung auf
einen Irrtum. Eine stinkende Schnauze schob sich vor und
schnappte direkt neben seinem Gesicht zu, dass die Zähne
krachten.
Es war der Bär; er war doch böse. Tari hatte sich geirrt.
Starr vor Schreck
Jan-Mathys war starr vor Schreck, aber als der Bär ihm die
Tatze von der Schulter nahm und sich hoch aufrichtete, nutzte er
die Gelegenheit und warf sich zur Seite. Leider war da die
Hüttenwand, er prallte ab, fiel zu Boden, rappelte sich halb hoch,
sah den Bär weiter auf sich zukommen und wich auf Händen und
Füssen rückwärts aus, bis er die Hüttenwand im Rücken hatte.
Siedendheiß wurde ihm bewusst, dass es keinen Ausweg mehr
gab..
Der Bär war jetzt ganz nah. Noch einmal blies er Jan-Mathys
seinen fauligen Atem ins Gesicht, dann riss er das Maul weit auf.
Jan-Mathys schlug bebend die Arme vors Gesicht und
wartete auf den unausweichlichen Biss.
An Stelle des erwarteten Schmerzes fühlte er eine warme,
weiche, eindeutig menschliche Hand auf seinem Kopf. Jemand
lachte. Jan-Mathys riss ungläubig die Augen auf.
Vor ihm stand Tari, an der Seite eines seltsamen,
grobschlächtigen Mannes, den seine Kleidung eindeutig als
Schmied auswies. Keine Spur von einem Bären.
"Das"- sie nickte mit dem Kopf in Richtung des
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