Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Jan-Mathys leid, auch wenn er immer noch böse war wegen der
Verzögerung. Fast konnte er Vater verstehen; dass er unter diesen
Umständen nicht weiterfahren konnte, war klar. Vielleicht war
Mutter krank? Jan-Mathys schaute genau hin, er konnte keine
Anzeichen für eine Krankheit erkennen. Blass war sie, aber sonst?
Vater legte kurz den Arm um Mutter und sagte dann:
"Jan-Mathys, bring den Eimer zum Wagen, es geht weiter."
Sein Herz schlug zum Zerspringen. In einer Bewegung warf
er den Eimer auf die Ladefläche, dass es nur so krachte und
schwang sich auf seinen Platz- nur um dann endlos warten zu
müssen, bis seine Mutter wieder aufgestiegen war. Endlich hatte
sie sich zurechtgesetzt, Vater klatschte Fi die Zügel auf die
Kruppe und der Wagen rumpelte an.
Selig lächelnd schloss Jan-Mathys die Augen und hob sein
Gesicht zur Sonne. So musste sich ein Schmetterling fühlen, wenn
er auf einer Blüte die Flügel auf und zu spannte, um möglichst
viel Licht zu bekommen. Es war einfach unglaublich…
Laut.
Der Krach drang an sein Ohr, noch bevor die Sitzbank unter
ihm sich in Luft aufzulösen schien. Mathys versuchte noch, sich
festzuhalten, aber er folgte der nachgebenden Bank und knallte
voll mit der Hüfte gegen das Seitenbrett, bevor er mit dem Steiß
auf das harte Holz zurückkrachte. Mutter und Vater ging es nicht
anders: Sie schwebten für einen Moment in der Luft, wie die
Ratsfrau, die er immer im Sommernachtshaus sah und sausten
dann nach unten, zurück auf den Wagen, der jetzt ein ganzes
Stückchen tiefer lag, zumindest auf der einen Seite. Das Rad war
gebrochen.
Großmutter
Jan-Mathys spürte den Schweiß in Strömen an sich herab
rinnen, aber er ließ nicht nach in seinem Bemühen. Kiste um
Kiste, Sack um Sack wuchtete er wieder auf den Wagen, während
sein Vater das Eisenband des Ersatzrades mit einem Stein auf der
Achse festschlug, damit ihnen nicht auch noch dieses Rad
verloren ging. Ganz unten auf der Ladefläche hatte es gelegen,
das blöde Rad. Brennender Schweiß lief ihm aus dem Haaransatz
in Auge. Er legte den Sack, den er gerade aufgehoben hatte,
wieder ab und lehnte ihn gegen sein Schienbein. Mit dem Zipfel
seines Hemdes tupfte er sich vorsichtig die quälenden Tropfen
aus den Augen und von der Stirn, dann hob er den Sack wieder
an. Fünf Säcke und drei Kisten noch. Jan-Mathys Mitleid mit
seiner Mutter hatte sich inzwischen in Luft aufgelöst; sie hatte die
ganze Zeit nicht einen Finger gerührt, um ihnen beiden zu helfen.
Als er endlich wieder auf dem Wagen saß, war Jan-Mathys
beinah froh über das Gerumpel- zeigte es doch zumindest an,
dass es weiterging. War er nach der verhinderten Rast wieder
zuversichtlich gewesen, machte er sich inzwischen wirklich
Sorgen. Die Sonne stand an der falschen Stelle, es musste schon
viel später sein als gedacht. Vater lehnte sich nach vorn und
schlug mit den Zügeln immer wieder auf Fionas Kruppe ein, und
die kleine Stute gab ihr Bestes. Schaumige Streifen an den
Flanken, zog sie den schweren Wagen über Stock und Stein.
Endlich kam Tallyn in Sicht. Heute war er nicht böse, dass
sie nicht hielten um den einen oder anderen Blick auf das Fest zu
erhaschen. Immer an der Loy entlang, ließen sie Tallyn und das
Badehaus auf der Rechten liegen und donnerten über die stabile
Brücke, die sie noch vom Portalwald trennte. An der
Pferdekoppel vorbei, in den Waldweg hinein. Einige Empats
flogen erschrocken auf und schimpften, aber auch das war JanMathys egal, er hörte und sah sie nicht wirklich. Sein Herz schien
stillzustehen. Der Mittsommernachtswächter war da, wie immer.
Aber die Fläche am Portal, auf der sich die Kinder jedes Jahr
sammelten, war leer.
Mathys sah seine Eltern an. Vater machte Fionas Zügel am
Wagen fest und rieb der Stute den Schaum von den Flanken.
Mutter lächelte- lächelte!- und sagte: "Da kann man nichts
machen, einen Radbruch konnte nun wirklich niemand
vorhersehen."
Jan-Mathys sprang vom Wagen und lief ein Stück in den
Wald. Wie konnte sie nur dermaßen gemein sein?
Vater sprach mit der Wache. Der Mann hörte ihm eine
Weile lang zu, schüttelte dann aber heftig den Kopf. Kein
Wunder, jeder wusste, dass man in der Mittsommernacht die
Erlaubnis des Rates brauchte, um die Ebene zu wechseln. JanMathys klaubte einen kurzen Stock auf und schleuderte ihn gegen
eine Eiche. Entweder man hatte einen Brief oder man ging in einer
Gruppe. Trotzdem war er dankbar, dass sein Vater es versucht
hatte. Was man von Mutter nicht gerade
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