Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
entgleiten; dann machte
sich eine Stimmung in ihrem Inneren breit, wie Julie sie von
nebelverhangenen Morgenspaziergängen an der Dryadenquelle kannte.
Dieser Wald war nicht einfach nur ein Wald, er war…
„Heilig!“ flüsterte Mathys, noch leiser als beim letzten Mal, obwohl ein
Geräusch jetzt weniger aufgefallen wäre, denn auch viele der anderen
tuschelten seit dem Betreten des Waldes und sahen sich mit weit offenen
Augen um.
Tatsächlich hatte sich inzwischen leichter Nebel über dem Boden des
schweigenden Waldes gesammelt; weiß und zart stieg er auf, um sich in
den Kronen der Bäume zu verfangen und sie in ein unwirkliches Licht
zu hüllen. Die Prozession hatte sich längst aus der Formation gelöst; die
Teilnehmer des Rituals verteilten sich nach rechts und links. Jetzt erst
wurde der Blick nach vorne für Julie frei. Direkt vor ihr erhob sich
etwas, dass ihr bekannt vorkam: ein Steinkreis!
Julie hatte von Stonehenge und anderen Kreisen Abbildungen gesehen,
aber nie einen echten Kreis betreten. Mathys war vor Julie nach links
eingeschwenkt, doch Julie stand immer noch mit offenem Mund vor
dem Gebilde. Überrascht davon, wie groß der Kreis war, wollte sie
zwischen die Steine treten. Ihr Fuß hatte kaum den Boden berührt, da
riss eine harte Hand sie mit einem Ruck zurück.
„Au, was…“ weiter kam Julie nicht.
„Bist du dämlich, Baumfrau? Du kannst doch während der Zeremonie
nicht den Kreis betreten!“ zischte Bamoth. Was für ein Grobian! Immer
noch hielt er Julies Arm mit eisernem Griff umklammert, obwohl sie
sich zu befreien versuchte. Sie schaffte es einfach nicht, der Elf war viel
zu stark.
Mathys wandte sich zu ihr um und erfasste die Situation auf einen Blick.
Drohend ging er auf den Elfengardisten zu.
„Nimm deine Drecksfinger von ihr, Bamoth!“
„Und was, wenn nicht- Mensch?“
Bamoth verstärkte seinen Griff noch und Julie stöhnte auf. Mathys nahm
beide Hände nach vorne und schubste Bamoth so wütend an den
Schultern, dass der ein ganzes Stück zurückgeworfen wurde und Julie
mitriss. Bamoth fassungsloser Blick dauerte nur einen Moment, dann
stieß er Julies Arm weg und schubste Mathys ebenfalls.
Mathys prallte zurück, als wäre er von einem ausgewachsenen Wolf
angesprungen worden. Er flog gegen einen der Steine des Steinkreises
und klammerte sich daran fest, um nicht zu Boden zu gehen. Das Band
fiel ihm aus der Tasche und flatterte in den Kreis; er schnappte danach
und erwischte es gerade noch so in der Luft. Julie hielt die Luft an.
Wurden sie beobachtet? Sie war sich nicht sicher, ob Mathys irgendein
Gesetz gebrochen hatte, als er das Band aus dem Fluss geholt hatte.
„Was ist hier los?“ ertönte eine Stimme. Julie rieb sich ihr Handgelenk
und drehte sich zu dem Sprecher um. Hinter ihr stand Iyel- Aton. Julie
hatte den Mund schon aufgemacht, um sich zu verteidigen, als sie
Bamoth zusammenzucken sah. Mit den hochgezogenen Schultern und
dem ausweichenden Blick wirkte er entschieden schuldbewusst, so, wie
es aussah, würde er selbst Ärger bekommen, wenn er sie verpetzte.
„Nichts, ich bin nur ausgerutscht und gegen Mathys gefallen; es geht
schon wieder“ sagte Julie. Iyel- Aton sah erst forschend Mathys an, der
nickte und dann Bamoth, dessen glattes Gesicht inzwischen wieder
völlig ausdruckslos war.
Schließlich winkte der Fürst Bamoth heran.
„Komm, wir fangen gleich an, du bist spät!“
Bamoth verbeugte sich fast bis zum Boden und eilte dann hinter IyelAton her zu einem Podest auf der gegenüberliegenden Seite des
Steinkreises. „Ja, Harath, es kommt nicht wieder vor…“
Mathys spuckte auf den Boden.
„Schleimer!“ Er drehte sich zu Julie und nahm sanft ihren Arm.
„Alles in Ordnung? Zeig doch mal…“
Das Handgelenk war übersät mit roten Flecken, von denen einige sich
jetzt schon blau färbten.
„Dieses Schwein! Den erwische ich noch!“
Er legte den Arm um Julie und führte sie zu ihrem Platz am Steinkreis.
Julie war froh, dass Mathys sie beschützen wollte, und sie war sicher, er
würde bis zum letzten Atemzug für sie kämpfen, aber zum ersten Mal
seit sie sich kannten, waren sie auf einen Gegner getroffen bei dem Julie
nicht sicher war, ob das ausreichen würde.
Ein seltsamer Haufen präsentierte sich Julie da am Rande des
Steinkreises. Die Wisbuns kannte sie gut; ängstlich und winzig wie sie
waren, hatten sie auch jetzt ihre kleinen, aber rasiermesserscharfen
Dolche sichtbar umgeschnallt und das typische Blasrohr für
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