Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Mutter
versprochen, stammte sie doch von einer langen Linie mit vielen
Zwillingen ab. Doch das einzige Kind, das sie gebar, war ich.“
Sie stocherte mit einer Astgabel in den Kohlen, das Feuer
loderte hell auf. "Man wollte mich töten, wie alle Säuglinge die
keine Zwillinge waren…"
Julie entfuhr ein erschreckter Ausruf, doch Duve sprach
unbeirrt weiter: "doch meine Mutter weigerte sich und wurde in
die Einzelhäuser verbannt. Mutter achtete darauf, dass wir das
Brunnenwasser nicht tranken, wir sammelten Regenwasser und
speicherten es für die heiße Trockenzeit. Unser Leben war hart,
wir waren arm, und die Schande der Einlingsgeburt trieb Mutter
in einen frühen Kummertod. Vater tat, was er konnte, aber wir
hungerten oft genug. Das Brunnenwasser nahm den Hunger, es
nahm den Schmerz, also gab Vater es auf, Regenwasser zu
sammeln. Doch ich vermisste meine Mutter, das Sammeln
erinnerte mich an sie, also machte ich weiter. Mein Vater und
Ravon, mein Bruder, veränderten sich. Sie wurden langsam und
stumpfsinnig. Eines Tages blieb mein Bruder zu lange aus; Vater
ging ihn suchen und kehrt ebenfalls nicht zurück. Der Fluss hat
sie sich geholt."
Chiara war hereingekommen und setzte sich neben ihrer
Mutter ans Feuer. Geistesabwesend strich Duve ihr über das
Haar.
"Dann kam der Tag, an dem ich Baron begegnete. Er war
einer der Anwärter auf das Wächteramt, seine Linie war stark.
Wir verliebten uns, obgleich sein Bruder Barolon gegen unsere
Liebe war. Es kam, wie es kommen musste: ich wurde schwanger
und Baron wurde gezwungen, sich von mir abzuwenden. Den
Wächtern ist es verboten, zu heiraten."
Sie lachte bitter.
"Was ist dann passiert?" flüsterte Julie.
"Der Leitwolf kam ums Leben; es wurden neue Wächter
bestimmt. Baron und sein Bruder kamen in die Auswahl. Aber
gewonnen hat-"
"Tasso", sagte Julie.
"Richtig, er und sein Bruder Tanilo. Und Baron und Barolo
wurden nie wieder gesehen, so wie alle, die zur Auswahl antreten
und nicht gewinnen. Wer nicht gewinnt, ist ein Verlierer. Wer
verliert, ist es nicht wert, dass sein Erbgut weitergegeben wird."
Sie seufzte. " So ging es weiter."
Julie sagte nichts, sie musste über all das erst einmal
nachdenken. Sie brachten hier Kinder um? Und was war mit den
Wächteranwärtern? Hieß das, die Verlierer wurden aus dem
Wächterswinkel gejagt? Oder gar Schlimmeres? Kein Wunder,
dass die Fünf so dahinter her waren, ihre Schützlinge nach vorn
zu bringen. Und dann die Sache mit dem Wasser, auch kein
Wunder, dass sich keiner wehrte; sie waren alle- Zombies, ja,
nicht tot aber auch nicht lebendig. Bis sie gebraucht wurden. Julie
schauderte. Das musste aufhören
"Wir müssen etwas unternehmen", sagte sie. "Sobald wir
zurück in Tallyn sind, werde ich mit der ersten Hüterin über die
Zustände hier sprechen. Wenn Anouk das erfährt, wird sie dem
sofort ein Ende machen."
Duve lachte so verächtlich, dass Chiara, die leicht eingenickt
schien, erschreckt den Kopf hob.
„Die Anouk, die ich gesehen habe, die Anouk, die Tasso
ausgewählt hat, wenn du diese Anouk meinst, spar dir die Mühe.
Sie weiß von all dem."
*
Die rußgeschwärzten Höhlenwände schienen sich zu
drehen. Das konnte, das durfte nicht sein. Aber tief in ihrem
Inneren wusste Julie, dass Duve nicht log.
Am Liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten, aber sie tat
es nicht und so drangen Duves Worte weiter ungehindert in ihre
Seele:
"Sie kann dem kein Ende machen. Seit der ersten Nacht sind
die Schutzzauber der zweiten Ebene so fragil, dass nur ein
Zwillingswächterpaar unser aller Sicherheit gewährleisten kann.
Und der Verschleiß ist hoch. Ohne den Wächterswinkel wäre
Tallyn schon längst gefallen. Was die Fünf machen ist furchtbar,
aber notwendig. Anouk weiß das, ich weiß das. Sogar das Kind
hier weiß das.“ Sie schnaubte verächtlich.
"Nein, der einzige Weg dieser Hölle zu entkommen ist die
Flucht. Aber sobald man sich über die Grenze bewegt wird der
Alarm ausgelöst, und nach vier Minuten ist die Meute da und
holt dich zurück."
"Warum das?" fragte Julie. War es nicht besser, die Einlinge
ziehen zu lassen, wenn man Duves schräger Logik folgte?
"Weil sie denken, dass Flüchtlinge ihre Geheimnisse überall
herumerzählen, und dann kommt keiner mehr in den
Wächterswinkel. Und sie brauchen ab und zu frisches Blut, sonst
werden nur noch Idioten geboren."
Julie erinnerte sich an die zwei dämlichen Brüder aus der
Auswahl- wenn das ohne frisches Blut der Standard war, konnte
sie
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