Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
bleichem
Gesicht rief ihr etwas zu, aber sie würde sich durch nichts
abhalten lassen. Mathys wartete auf sie, hier im Fluss, sie musste
zu ihm.
Als das Wasser ihr bis unter den Busen reichte, zog Julie die
Beine an und ließ sich fallen, wie damals bei den Aquilani. Nur,
dass sie dieses mal keine Angst hatte.
Duve
Um sie herum trieben Schlingpflanzen, wedelten anmutig
mit den Blättern. Es gab keine Fische, aber das war ihr nur Recht.
Sie wollte allein mit ihrem Freund sein, ohne glotzäugige Fische,
die um sie herum schwammen. Das Wasser wurde dunkler und
kälter, und Julie bedauerte, dass sie hier nicht trinken konnte um
sich zu wärmen.
"Au!"
Überrascht öffnete Julie den Mund, und der Fluss quoll über
ihre Lippen.
Etwa riss sie an ihren Haaren nach oben.
Das war die falsche Richtung, Mathys wartete unten auf
sie, ganz sicher. Schemenhaft glaubte sie etwas Weißes
wahrzunehmen- bestimmt das dämliche Gespenst.
Julie wehrte sich, schlug um sich, doch sie reichte mit ihren
Armen nicht zu dem Monster, dass sie wegschleppte. Wie sehr sie
sich auch wehrte, die Helligkeit des Mondes verbündete sich mit
dem Gespenst über ihr und zwang sie zum Auftauchen.
Wie von selbst sog Julie die Nachtluft tief in ihre Lungen,
keuchte, hustete. Dem Gespenst klebten die Haare am Kopf.
Julie schlug zu, so fest sie konnte, doch der harte Griff in
ihre Haare lockerte sich nicht.
Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie wollte zurück, nach
unten. Zu ihm. Sie hatte ihn schon wieder verloren.
Kaum berührten ihre Knie den Boden des Ufers, wurde
Julie auch schon mit Schwung herumgeworfen. Ein schmales und
hartes Ding presste sich zwischen ihre Lippen und Bitterkeit füllte
ihren Mund. Sie hustete und spuckte, doch das nasse Gespenst
hielt ihr Mund und Nase zu und zwang sie so zum Schlucken. Ein
letztes Würgen, dann war es vorbei.
*
Was hatte sie getan?
Julie sah sich um. Der Zauberwirkung des Flusses war
verflogen; kalt und feindselig schien das schwarze Nass auf
einmal. Die Frau neben ihr war eindeutig kein Gespenst, sondern
aus Fleisch und Blut, wenn sie auch tatsächlich eine Art
Nachtgewand aus weißem, durchsichtigem Stoff trug. Die
blonden Haare der Frau, in zwei dicke Zöpfe geflochten,
kringelten sich über die Schultern, die rosa durch den nassen Stoff
schienen bis zur Taille.
Trotz der zitternden blauen Lippen konnte Julie sehen, wie
ebenmäßig das Gesicht der Fremden aussah.
Julies Kopf war wieder klar, so wie beim Aufwachen
vorhin, aber die elende Übelkeit und die Kopfschmerzen waren
verschwunden. Sie fühlte sich gut. Und sie schämte sich. Wäre die
Fremde nicht gewesen, würde sie jetzt klaftertief auf dem Grund
des Flusses verrotten.
"Danke", sagte sie.
"Du schlägst ganz schön fest zu", antwortete die Fremde.
"Tut mir leid." Julie zückte ihre Flasche, um einen Schluck
zu trinken.
Der Schlag kam ohne Vorwarnung und prellte ihr die
Wasserflasche aus den Fingern.
Julie presste sich die Hand auf die schmerzenden Lippen.
"Au- was soll das, ich hab mich doch …"
Diesmal war es die Fremde, die sich entschuldigte.
"Tut mir leid- du darfst das nicht trinken. Ich habe kein
Gegenmittel mehr hier."
"Gegenmittel? Aber was…?"
"Mein Name ist Duve. Ich wohne schon seit meiner Geburt
hier im Winkel, und ich schwöre dir: das Wasser ist verdorben."
Julie öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte,
sprach Duve schon weiter.
"Du bist sicher neu hier. Ich weiß, es schmeckt gut und
frisch, aber es macht schläfrig. Und beeinflussbar. Und krank." Sie
schüttelte den Kopf. "Der Ruf des schwarzen Arms ist immer
stark, aber wenn man aus den Brunnen hier getrunken hat, wird
er unbezwingbar. Darum dürfen die Winkler auch nicht zum
Fluss hinunter. Wer sich nicht daran hält, der wird vermisst. So
wie mein Bruder. Und mein Vater."
Sie zog fröstelnd die Schultern zusammen.
Julie konnte es nicht glauben. Ein ganzes Dorf vergiftet?
"Das ist doch Unsinn, was du da erzählst. Irgendwann
trinkt jemand anderes Wasser, dann würden sie es doch merken."
"Bleib einfach bei deiner Hütte und deinem Zwilling oben
und geh´ nicht zum Fluss, wenn dir dein Leben lieb ist."
Julie stutzte.
"Ich habe keinen Zwilling."
Duve wurde so weiß wie ihr Hemd.
"Aber…wer bist du dann?", stammelte sie.
"Julie, zweite Hüterin vom Rat in Tallyn."
Duve sprang mit einem erstickten Laut auf und rannte
durch die Nacht davon.
*
Verdammt. Julie wollte nichts anderes, als trockene
Klamotten anziehen und
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