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Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Leo beugte sich vertraulich vor, er
musste den Jungen mal aufklären, offensichtlich kannte der sich
mit Wölfen nicht richtig aus. "Die können dich fressen."
    "Können sie nicht."
"Können sie wohl", beharrte Leo.
Ronan legte wieder den Kopf schief. "Gut. Könnten sie."
Leo nickte bestätigend, endlich hatte der Kleine es begriffen.
"Werden sie aber nicht."
"Und warum nicht?" So niedlich der Kleine war, er ging Leo
höchstens bis zur Schulter, seine Ignoranz begann Leo zu ärgern.
"Weil ich einer von ihnen bin."
    "Bist du nicht." Leo lachte unsicher, doch der Junge lachte
nicht mit.
"Sieh´ mir in die Augen", sagte Ronan.
    Leo wollte es nicht tun, aber Ronans Blick hatte etwas
Magisches. Er sah ihm in die Augen, und plötzlich wusste er es:
der Junge hatte nicht gelogen, er war ein Wolf, er war der Wolf!
Leo sprang auf, raus, nur raus hier, er musste zu seinem
Pferd, er….
    Leo keuchte auf, blieb stehen, stützte sich mit den Händen
im Stehen auf den Knien ab. Alles drehte sich, ihm wurde
schwindlig. Seit er aufgewacht war hatte er nicht einen
Augenblick an Blau gedacht. Was, wenn der Mistkerl ihn
gefressen hatte?
    Ein Wiehern. Leo schossen die Tränen in die Augen. Der
Schwindel war vergessen. Sein Pferd stand an der Seite vor der
Höhle, nicht angebunden, aber einen Eimer mit Wasser vor sich,
und mindestens eine halbe Schubkarre Möhren vor den Hufen. Es
ging ihm gut.
"Blau, heiliger Zipsel, Blau, bist du verletzt?" Das Pferd
wieherte. "Ist ja gut, ich bin ja da, ist ja gut…"
    Leo vergrub sein Gesicht in Blaus Mähne und weinte, dass
es ihn schüttelte. Was für ein Tag, erst saß er unfreiwillig ab und
dann wachte er in der Höhle eines Wolfes auf.
    Eine Hand auf seinem Rücken. Leo erstarrte, die Gefahr war
noch nicht vorbei. Er rührte sich nicht. Was wollte der Wolf von
ihm, so eine Art lebenden Vorrat anlegen? Ihn fesseln und später
fressen? Leo ballte die Faust, holte tief Luft, drehte sich
blitzschnell herum und schlug dem Jungen, der ihn in die Höhle
geschleppt hatte mit aller Kraft die Faust vor die Schläfe.
Die zweite Nacht
     
Julie saß hellwach am Ufer.
    Den ganzen Tag über hatte sie nur auf ihrem Bett gelegen,
die Bibliothek gemieden und grübelnd an die Decke ihres
Zimmers gesehen. Mit jedem Fisch, der still über ihren
Glashimmel gezogen war, wurde es mehr zur Gewissheit.
Sie wollte - nein, sie konnte!- nicht so leben wie Nereide,
ohne alles was sie jemals geliebt hatte, zu vergessen.
Es würde sie zerreißen, das wusste sie genau.
     
Miriella neben ihr starrte auch gebannt auf das Wasser, aber
Julie war sich sicher: heute Nacht würde sie das leuchtende Blatt
als Erste sehen.
     
Sie musste nur sehr aufmerksam sein.
     
Bind mich los, für´s Erste…
    Diesmal war er es, der neben der Lagerstätte saß. Mit einem
Anflug von schlechtem Gewissen sah Leo, wie Ronans linkes
Auge sich verfärbte. Er musste ihn voll erwischt haben, der Junge
war noch immer bewusstlos. Leo überprüfte die Wäscheleine, die
er um Ronans Hände und Füße geschlungen hatte. Sie sollte fest
sitzen, aber nicht zu fest. Die Haut des Jungen war so weich und
weiß, es wäre ein Jammer, wenn er ihm die Handgelenke
aufscheuerte. Warum hatte der Junge so kalte Hände? Er sah sich
nach dem Feuer um. Die Glut war fast erloschen, also holte Leo
ein paar Kienspäne und Holz aus dem Korb in der Ecke und
fachte die Flammen wieder an.
Leo befühlte Ronans Stirn, auch sie war kalt. Das Feuer
knisterte und flackerte auf.
     
"Gleich wird es wieder warm", flüsterte Leo.
     
Ein dumpfes Knurren drang aus der Brust des Jungen, aber
er öffnete die Augen nicht.
    Leo zuckte zurück. Was tat er hier? Warum ritt er nicht
einfach seiner Wege? Er konnte den Jungen losbinden und einfach
liegen lassen, sein Pferd war schneller als jeder Wolf. Aber er
konnte sich noch immer nicht daran erinnern, was er eigentlich so
Dringendes erledigen wollte. Sollte er zurück nach Gagrein?
Etwas tief in seinem Inneren gab ihm die Gewissheit, dass das
nicht sein Auftrag war. Leo seufzte. Solange er nicht wusste, was
er zu tun hatte, konnte er genauso gut hier sitzen und darauf
warten, dass der Junge aufwachte. Und ihn dann fragen, warum
er arglose Reiter in seine Höhle schleppte.
    Ein anderer Ton drang aus der Brust des Wolfsjungen,
klagend, winselnd. Bestimmt hatte er Schmerzen. Leo warf einen
Blick auf das Tuch in der Schüssel. Sollte er?
    Mit spitzen Fingern griff er das nasse Tuch und wrang es
aus. Strich damit über die helle Stirn.

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