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Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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seiner Schenkel
reagierte, wehrte er sich in diesem Augenblick sogar gegen
eindeutige Hilfen. Er wollte in die andere Richtung, zurück nach
Tallyn oder sonst wo hin, nur nicht durch die Schlucht.
    Leo konnte es seinem Hengst nicht verdenken, er wünschte
sich ebenfalls nichts sehnlicher als hier zu verschwinden. Aber
nach Gagrein wollte er auch nicht zurück. Blöde Anouk. So eine
Erpresserin. Weiter und weiter trieb Leo seinen Hengst. Da, im
Gebüsch raschelte es. War das ein Wolf? Leo fühlte, wie ihm der
Angstschweiß an den Haaren auf seinem Rückrat herablief. Wie
das juckte. Er hielt die Zügel nur noch in einer Hand, kratzte sich
nervös am Rücken.
    In diesem Augenblick geschah es. Ein Wolf, ein echter Wolf,
behaart und mit riesigem Maul, sprang aus dem Gebüsch und
preschte vor ihm auf dem Pfad vorbei.
Blau stieg, und Leo passierte etwas, dass ihm noch nie
passiert war. Er wurde abgeworfen.
     
Fassungslos spürte er, wie seine Halt suchenden Hände und
Schenkel ins Leere griffen, wie die Welt sich auf den Kopf stellte.
Augen im Gebüsch, ein Menschengesicht.
     
Ein dumpfer Schmerz am Kopf, dann Dunkelheit.
    Diese Schmerzen, das war ja nicht auszuhalten. Leo öffnete
die Augen einen Spaltbreit, aber er kniff die Lider schnell wieder
zusammen. Zu hell, viel zu hell. Was sollte das? Wo war er? Wo
war...er erstarrte.
    Blau. Er war- er hatte…Heiliger Zipsel, hoffentlich hatte das
niemand gesehen. Doch, da war jemand gewesen, ein Junge. Er
würde zum Gespött in jedem Fohlenschulzelt werden, soviel war
mal sicher. Der Sohn des Häuptlings vom Pferd gefallen. Es war
so schnell gegangen, vielleicht hatte er Glück und der Junge hatte
nichts gesehen. Oder war von dem Wolf gefressen worden. Ja,
bestimmt. Wenn er selbst noch lebte, war der Wolf über etwas
anderes hergefallen, sein Geheimnis war sicher.
    Noch etwas machte ihm Sorgen. Er mußte irgend etwas
ganz Wichtiges tun. Wenn bloß dieses Dröhnen im Kopf nicht
gewesen wäre, vielleicht könnte er dann herausfinden, was es
war. Und warum roch es hier so streng?
    Noch einmal versuchte er, die Lider zu heben; zumindest
sah er dieses Mal, dass die Helligkeit nicht nur vom Tageslicht,
sondern auch von einem Feuer kam. Wölfe hassten Feuer. Er war
in Sicherheit.
Erneut zog ihn eine Ohnmacht mit klebrigen Fäden in die
Tiefe.
    Kühles Nass netzte seine Stirn und ein vorwitziger Tropfen
rann an seiner Schläfe und seinem Ohr vorbei in Leos Nacken, wo
er ihn furchtbar kitzelte. Er griff sich in das Fell und verrieb den
Tropfen, damit das Jucken nachließ.
"Du bist wach."
    Leo hob die Lider, diesmal ohne Probleme. Das Feuer war
fast heruntergebrannt und wo vorhin Tageslicht geblendet hatte,
strich jetzt die Dämmerung wie eine weiche Katze um den
Höhleneingang. Leo setzte sich auf; der Schmerz in seinem Kopf
schlug mit Wucht zu, aber das war nicht das einzige, was ihn
zusammenzucken ließ. Scham brannte sich heiß durch sein
Brustbein.
Vor ihm saß der Junge aus dem Gebüsch; er wrang ein Tuch
aus und legte es zurück in die Schale neben sich.
     
"Wie geht es dir?" fragte der Junge.
    "Wie soll es mir schon gehen?" Leo fauchte mehr, als das er
sprach, aber der Junge zeigte keine Angst in seinen
bronzefarbenen großen Augen, und er wich auch nicht zurück.
"Ich muss mich irgendwo gestoßen haben, als ich vom Pferd
gestiegen bin."
    "Vom Pferd gestiegen?" Der Junge wirkte verwirrt. "Mann,
du musst ganz schön viel abbekommen haben. Du bist
abgeworfen worden."
    "Bin ich nicht."
"Bist du doch."
"Ich bin ein Gager!"
"Ich heiße Ronan."
"Ich heiß´ nicht Gager, ich bin ein Gager, und Gager werden
nicht abgeworfen", grantelte Leo.
    "Hm." Ronan legte den Kopf schief und sah ihn einfach nur
an. Wie lang seine Wimpern waren, fast wie die eines Pferdes,
dachte Leo. Ihm wurde mulmig unter diesem Blick, der so klar
war wie ein Bergsee bei Nacht.
"Vielleicht habe ich ein kleines bisschen den Halt verloren",
gab er zu.
    Ronan schien das zu reichen, er lächelte so breit und
verschmitzt, dass Leo jeden seiner weißen Zähne sehen konnte.
Aus einem Grund, den er selbst nicht kannte, war er auf einmal
froh, dass der Wolf den Jungen nicht gefressen hatte.

"Was machst du hier?" Leo sah sich um und ließ seinen
Blick über die steinernen Wände und die Felle in der Ecke
schweifen, über das Kochgeschirr und den Wäscheständer mit
den säuberlich aufgehängten Hosen, "in dieser Höhle?"
    "Ich wohne hier."
"Hier, mitten im Wolfsschrund?"
"Warum nicht?"
    "Hast du keine Angst?"

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