Dryadenmacht (Dryaden-Saga) (German Edition)
fasste sich an die Stirn. Chris stellte sich an Anouks Seite, sah sie fragend an, doch Anouk schüttelte leicht den Kopf und er trat wieder einen Schritt zurück.
Was war bloß los mit Anouk? Julie konnte sich keinen Reim darauf machen. Aber was noch viel wichtiger war: Wieso fing sie mit der Besprechung an, ohne das Mathys zugegen war? Das konnte nur eines bedeuten. Julie presste ihre Faust gegen die Lippen. Sie hatte ihn freigestellt, er würde nicht kommen. Was für eine Enttäuschung.
„Julie?“ – „Julie?!“
Hatte Anouk sie angesprochen? Julie blickte auf; alle starrten sie an, auch Daan.
„Schön, das s du dich uns wieder zuwendest. Es geht ja auch nur um das Schicksal der ganzen Welt, da wollen wir dich wirklich nicht aus deinen Gedanken reißen...“, ätzte Anouk.
Auf allen Gesichtern die gleichen Empfindungen. Ablehnung. Unverständnis. Angst. Sollte das ewig so weitergehen? Was erwartete man denn von ihr? Dass sie in der Zeit zurückreiste und ihre Entscheidung rückgängig machte?
Julie beschloss die Flucht nach vorne anzutreten und stand auf.
„Entschuldigung, ich – es war so viel in den letzten Tagen.“
Anouk mischte sich ein: „Oh, wir wollen dir natürlich nicht noch mehr...“
Julie unterbrach sie einfach.
„Anouk, es ist genug. Ich habe eine Entscheidung getroffen, die einige von euch nich t verstehen. Aber wenn wir die Guten sein wollen, können wir dann das Leben Einzelner gering schätzen? Wenn der Zweck die Mittel heiligt, was ist dann der Unterschied zwischen dem Vogt und uns? Die Anzahl der Opfer?“
Sie schüttelte kurz den Kopf, sprach dann aus, was alle dachten.
„Ihr fragt euch, ob Tari es wert ist.“
Daan zuckte zusammen, doch Julie ignorierte ihn. „Vielleicht ist sie böse, vielleicht müssen wir sie sowieso bald bekämpfen.“ Sie warf einen Blick in die Runde, sah jeden Einzelnen kurz an. Keiner wagte es die Stille zu unterbrechen, nicht einmal Anouk.
„A ber was, wenn nicht? Was, wenn sie gut ist? Sie ist Daans Tochter, er ist Mitglied dieses Rates. Was, wenn es um eure Kinder, Mütter, Väter, Geliebten ginge? Wir dürfen nicht aus Angst Unschuldige verdammen, es ist unsere Aufgabe aufzustehen und zu tun, was wir können. Jeden Tag. Mathys hat es getan, als er den Südstein verteidigt hat. Und ich habe es getan, als ich das Leben einer Unschuldigen gerettet habe, denn solange sie uns nicht das Gegenteil beweist, glaube ich an das Gute in Tari.“
Julie setzte sic h wieder. Erst in diesem Moment sah sie den Merlin, er erhob sich aus dem riesigen Ohrensessel am Kamin.
Er hatte sie immer unterstützt, es war gut, dass er da war. Sein Anblick gab ihr neue Kraft.
„So. Ihr könnt mich schneiden, mich ignorieren, mich verb annen, ganz wie ihr wollt. Aber ich würde es wieder tun.“
Die Stille war das Schlimmste. Die Worte, d ie sie gewählt hatte, entsprachen in etwa dem, was sie Mathys hatte sagen wollen. Wenn der Rat ihr verzieh, musste dann nicht auch Mathys verstehen, worum es ging?
Der Merlin lächelte sie an, sagte aber nichts. Daan hatte den Kopf gesenkt.
Überraschenderweise war es Leung Jan, der schließlich das Schweigen brach.
„Sie ist unsere Hüterin, vielleicht sollten wir ihre Entscheidung einfach mal so stehen lassen und versuchen, die Folgen auszuloten. Ganz ehrlich, es war nur eine Frage der Zeit, bis der Vogt den Stein ergattern konnte. Die Sicherheitssysteme waren von Anbeginn an fehlerhaft. Er ist schon mehrmals hier eingedrungen, so oft, dass du, Hüterin“, er verneigte sich vor Anouk, “zuerst davon ausgegangen bist, dass er den Stein selbst geholt hat. Mir macht das Ganze auch Angst, aber immerhin haben wir Tari nicht verloren. Und wer weiß, vielleicht war dieses Erlebnis das Zünglein an der Waage ihrer Entscheidung zwischen Gut und Böse. Ich habe sie unterrichtet. Sie ist unglaublich mächtig; wir könnten ihre Hilfe gut brauchen.“
Erleichterung durchströmte Julie. Leung Jan hatte sie verstanden.
Die anderen zögerten, begannen dann aber einer nach dem anderen, die Schultern zu zucken oder zu nicken. Sie hatte es geschafft, sie waren wieder auf ihrer Seite. Sie konnte es auch mit Mathys schaffen, dass wusste sie jetzt. Julies Blick fiel auf Anouk. Die saß in ihrem Sessel, die Hände so fest miteinander verschlungen, dass die Finger ganz weiß waren. Ihr Gesicht war als einziges noch genauso abweisend wie zuvor.
„Genug davon. Wir haben Einiges zu tun, um den Schaden zu begrenzen, egal, wie er zustande gekommen
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