Dryadenmacht (Dryaden-Saga) (German Edition)
ist. Und dieses Mal“, sie funkelte Julie an, „erwarte ich volle Aufmerksamkeit. Der Vogt zeigt noch keine Aktivität, falls man den Beobachtungen unserer Späher glauben darf. Aus diesem Grund mache ich mir zurzeit mehr Sorgen um die politischen Konsequenzen. Aus der Feste Minor und aus Gagrein haben uns Briefe erreicht. Der König der Minuiten und der Häuptling der Gager wollen wissen, ob die Gerüchte stimmen und der Südstein verloren ist. Das werde ich bestätigen, sie müssen die Möglichkeit haben, sich vorzubereiten – auf was auch immer. Aus Telemnar hat uns eine ziemlich beunruhigende Nachricht erreicht. Bamoth, zurzeit stellvertretender Herrscher der dritten Ebene, hat seinen Besuch angekündigt.“
Sie machte eine Pause. D ie Stille war mindestens so tief wie nach Julies Ansprache vorhin. Julie sah Daan an; Himmel, war er blass. Bamoth würde herkommen. Und Mathys war nicht da, um ihm zur Seite zu stehen.
Anouk sprach weiter: „Das kann Verschiedenes bedeuten, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Elfen hier nicht oft aufkreuzen, sollten wir mit Verwicklungen rechnen.“
Sie stand auf. „Hat noch jemand eine Frage?“
Niemand sagte etwas.
Julie hatte eine Frage, aber sie traute sich nicht, sie zu stellen. Wo um Himmels willen war Mathys?
Die Luft draußen war klar, der Boden nass. Die Pflanzen ringsherum glänzten frisch gewaschen. Offenbar hatte es ein Gewitter gegeben, ohne dass Julie in der Bibliothek etwas davon mitbekommen hatte.
Wie schade, dass Mathys vorhin nicht aufgetaucht war. Sie vermisste ihn furchtbar, und sie brauchte ihn. Julie hätte nicht geda cht, dass sie nach all den Jahren, die sie allein verbracht hatte, so sehr darauf angewiesen sein würde, ihn an ihrer Seite zu wissen - aber es war so.
Sie sah sich suchend um. Vielleicht war Mathys an einem ihrer Lieblingsplätze?
Julie machte sich auf den Weg zu ihrem Baum am Fluss. Bis zur letzten Sekunde hoffte sie, Mathys dort sitzen zu sehen auf dem waagerechten Teil des Baumes, der ein ganzes Stück frei über dem Fluss schwebte, bevor er kerzengerade in den Himmel strebte.
Doch der Platz auf dem Baums tamm war leer. Enttäuscht drehte Julie um. War Mathys vielleicht auf ihrer Lieblingsbank am Sommeressplatz? Ohne ihr Zutun beschleunigten sich Julies Schritte. Warum versperrte der bewachsene Wegrand ihr die Sicht? Noch ein, zwei Schritte, dann musste sie ihn sehen, wenn er dort war. Tatsächlich saß jemand auf dem Platz, aber es war ein Fremder. Julie schnaubte. Es war ja wirklich toll, dass man in Tallyn die Gastfreundschaft so groß schrieb, aber in letzter Zeit waren dauernd Fremde in der Siedlung, und einige von ihnen sahen nicht gerade Vertrauen erweckend aus. Sie wandte sich nach rechts und sah Hafer, den Gager, der ihr freundlich zuwinkte. Sie winkte zurück.
Der Stall – warum war sie da nicht gleich drauf gekommen? Erleichtert bog Ju lie ab auf den Weg, der zu den Ställen führte. Wenn Mathys sich so lange nirgends blicken ließ, war er bestimmt bei seinem Pferd.
Im Stall war es dämmrig. Julie nahm sich nicht einmal die Zeit, ihren Hengst Go zu begrüßen , sondern ging gleich weiter zu Mathys Box, die seit gestern sogar noch weiter hinten lag als die ihres eigenen Pferdes. Er hatte seine alte Box weiter vorne aufgegeben, um näher bei Julie zu sein. So konnten sie beim Putzen miteinander reden, hatte er gesagt.
Die Box war leer. Und Mathys stand nicht zum Putzen vor dem Stall. Er war weggeritten.
Julie kamen die Tränen. Kein Wunder, dass sie ihn nirgends gefunden hatte.
Daan kam genau in dem Moment um die Ecke des Eckplatzes, als Julie sich zum Baumhaus aufmachen wollte , um ihn nach Mathys zu fragen.
„Daan, weißt du, wo Mathys ist?“
Der Elf schüttelte den Kopf. „Er ist nach Nordwesten geritten, mehr weiß ich auch nicht.“
Julie stutzte. Sie konnte sich an keinen Fall erinnern, wo Mathys Tallyn verlassen hatte und Daan nicht informiert war, wo sein bester Freund hin ritt.
„Ist alles in Ordnung zwischen dir und Mathys?“ fragte sie.
Daan setzte sich mit dem Rücken zum Tisch auf eine der Bänke.
„Eigentlich ist gar nichts in Ordnung.“ Er seufzte leise. „Wir habe uns gestritten.“
Julie schwieg betroffen. Um den Lichtelfen derart aufzuregen, dass ein richtiger Streit daraus wurde, brauchte es schon Einiges. Hatten die beiden sich überhaupt schon einmal gestritten? Daan schaute nur trübsinnig auf seine Fußspitzen, also unterbrach Julie die angespannte Stille.
„Worum
Weitere Kostenlose Bücher