Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
fertig seid, sollt ihr zusammen zu Anouk kommen“, quäkte der Junge und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Daans Gesicht war wieder so regungslos wie immer.
„Was war mit deinem Vater?“ Doch noch während Julie fragte wusste sie schon, dass es zwecklos war. Der kurze Moment der wahren Vertrautheit war vorbei.
„Nicht so wichtig“, sagte Daan. „Ich muss los, ich will noch meine Sachen zusammensuchen.“
Der Elf machte sich auf den Weg in Richtung Zeltlager. Eine Weile saß Julie mit gekreuzten Beinen auf der niedrigen Mauer und sah dem frechen Gecko zu. Das Tier flitzte in irrem Tempo die Wände hoch und runter. Sie seufzte und machte sich ebenfalls auf den Weg ins Zelt, um dort auf Mathys zu warten.
Die Vorbereitungen für das Mittsommernachtsfest waren trotz des tragischen Zwischenfalles in vollem Gange. Überall wurden Tische aufgebaut, kleine Bühnen und Stände bereitgestellt. Musiker überzogen die ganze Stadt mit ihren Klängen, denn alle wollten vor dem Fest noch einmal üben. Überall summte es wie in einem Bienenstock; die Wirtschaftsgebäude, die Ställe, ja selbst die Wohnhäuser brummten in reger Geschäftigkeit. Wer Beine hatte, war unterwegs und half. Julie und ihre Gefährten schoben sich durch das Gedränge und erreichten schließlich die Steinstufen, die zur Burg hinauf führten. Tonia und ihre Gefährten waren direkt vor Ihnen. Gemeinsam betraten alle die Halle. Mitten im Saal erhob sich ein Podest mit einem einzelnen thronähnlichen Stuhl. Obwohl der Sitz riesige Ausmaße hatte, füllte die zierliche Anouk ihn aus, denn ihre Macht ließ sie deutlich größer wirken, als sie war. Die Schritte der sechs Jugendlichen auf dem glatten Steinboden klangen ungewohnt hallend von den Wänden wieder, als sie sich dem Podest näherten. In das rituelle Gewand gekleidet, sah Anouk nicht nur schön, sondern auch überlegen aus. Julie fragte sich nicht zum ersten Mal, ob dieses Amt vielleicht zu hoch für sie war. Anouk wirkte immer so sicher, so bestimmt. Wie sollte sie da jemals hinkommen? „Schritt für Schritt“, ertönte eine Stimme in Julies Kopf. Julie blieb stehen, wie vom Blitz getroffen, so dass Mathys gegen sie prallte.
„Entschuldigung“, murmelte Julie über die Schulter. „Anouk, bist du das?“, fragte Julie in Gedanken.
„Ja.“ Die Kopfstimme klang amüsiert. „Siehst du hier sonst noch jemanden?“
Julie lächelte, scheinbar ohne Anlass, denn die anderen bekamen von dieser Unterhaltung nicht das Geringste mit.
„Du brauchst keine Angst zu haben“, sprach Anouk weiter. „Die Hüterin wird gut ausgebildet, und du hast doch deine Gefährten.“
„Stimmt“, sagte Julie in Gedanken. „Aber was ist, wenn ich etwas falsch mache? So viele Leben hängen davon ab! Kann ich diese Verantwortung tragen, kann ich das alles schaffen?“
Julie wartete; eine Weile passierte nichts in ihrem Kopf. Erst als sie nach dem langen Weg durch die Halle direkt vor Anouk stand, erklang die Stimme in ihrem Kopf erneut: „Dass du diese Frage stellst, zeigt, dass du es kannst.“
Julie ging, ohne es zu wollen, auf die Knie, genau wie die anderen. Hier konzentrierte sich Anouks Macht, sie brauchte niemanden, der den Jugendlichen sagte, was sie zu tun hatten. Andere nach ihrem Willen zu lenken gehörte zu Anouks Aufgaben.
„Ihr werdet heute die Dryade um ein Amulett bitten. Ohne das Amulett kommt ihr nicht in den Raum des Schicksals. Die Dryade wird euch prüfen; wer mit einem Amulett zurückkommt, hat sich als würdig erwiesen, egal, wie ihr die Dryade überzeugt. Aber lasst euch eines gesagt sein“, sie warf einen Blick auf Tonia, „Dryaden gehören zu den stärksten magischen Geschöpfen überhaupt. Es empfiehlt sich also nicht, die Dryade anzugreifen.“ Anouk wandte sich wieder allen zu. „Die Dryade wird zuerst eure Vorraussetzungen prüfen. Ihr müsst zu dritt sein, und ihr müsst den Heiltrank dabeihaben, sonst gewährt sie euch keinesfalls ein Amulett. Die Amulette haben unterschiedliche Kräfte, die Dryade trägt sie um den Hals und entscheidet erst im letzten Moment, wem sie welches Amulett gibt. Habt ihr noch Fragen?“
Tonia hob den Arm. „Wer geht zuerst?“, fragte sie.
„Wir losen“, bot Anouk an. Alle waren einverstanden. Anouk zog eine übergroße goldene Münze hervor. Die eine Seite zeigte den See der Dryade, die andere die Dryade selbst. Swantje sagte: “Den See, ich nehme den See …“
Julie nickte. „Gut, ich nehme die Dryade.“
Anouk warf die
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