Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
abwarten.
Mathys hatte seinen Kampf eigentlich schon gewonnen,
als er aufgerufen wurde. Seinen Gegner kannte er bereits aus dem Training. Er hatte jedes Mal klein beigeben müssen. Der Junge kämpfte nur halbherzig, und als Mathys ihn das erste Mal zu Boden schickte, stand er vorsichtshalber gar nicht erst wieder auf.
„Nicht dumm“, dachte Julie, „den Kampf hätte er sowieso verloren, das hat ihm einiges an Kraft für die letzten beiden Disziplinen gespart.“
Als Mathys zu Julie zurückkam, lag trotz des klaren Sieges kein Triumph in seinem Blick. Er hatte ganz offensichtlich die Hoffnung aufgegeben.
„Los komm, wir wechseln schon mal zu den Schwertkämpfern, dann kann Daan sich da vor Ort noch ein bisschen ausruhen“, drängte Julie. Ergeben erhob sich Mathys. Er sprach mit Julie nicht über den Sinn dieser Aktion, und dafür war sie ihm im Moment sehr dankbar. Anderenfalls hätte sie ihm vielleicht doch gebeichtet, was sie vorhatte – und Mathys hätte sie davon abgebracht.
Sie fanden einen schattigen Platz unter den Bäumen am Rande des Kampfplatzes. Julie machte sich auf die Suche nach einer bestimmten Küchenfrau. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, nach den nächsten Kämpfern musste sie sich rüsten für den Schwertkampf. Wo konnte Aewore bloß stecken? Es waren so viele Menschen unterwegs … Da war sie! Julie kannte Aewore eigentlich nur vom Sehen, aber Daan hatte so oft von ihr und ihren Kochkünsten erzählt, dass sie Julie vertraut vorkam.
„Aewore, darf ich dich etwas fragen?“, hub Julie an.
Aewore blickte auf. Das alte Gesicht war von ebenso vielen Fältchen durchzogen, wie ein angeschnittener Rotkohl Linien hatte. „Sicher Kindchen, hast du Hunger?“, fragte die Alte.
„Nein, es geht um Daan, er braucht Hilfe“, sagte Julie.
„Was kann ich tun?“ Aewore war ganz Ohr. Julie erläuterte der alten Frau ihren Plan.
Das Signal ertönte. Es war Zeit sich zu rüsten. Das schwere Kettenhemd über den Kopf zu bekommen, war wie immer nicht leicht. Obwohl Julie ihre Haare mit Bändern zu einem Zopf geflochten hatte, blieben einige an den gebogenen Metallringen hängen und rissen schmerzhaft aus. Das über zwanzig Pfund schwere Ungetüm nahm Julie einmal mehr zunächst die Luft. Als sie sich an das Gewicht gewöhnt hatte, schnallte sie die ledernen Ärmelstulpen fest. Mathys hatte sie ihr geschenkt; er hatte sie selbst aus den besten Teilen gearbeitet. Die Stulpen waren mit unzähligen fischschuppenartig verschachtelten Lederstückchen besetzt. Julie liebte diese Schützer; sie sahen aus wie die Haut eines Drachen. Den Metallhelm setzte sie erst unmittelbar vor Kampfbeginn auf, man sah darin nicht gut und Luft bekam man auch kaum.
Der Kampfrichter gab das Zeichen. Julies Gegnerin begann, mit dem Schwert auf sie einzudreschen. Routiniert wehrte Julie die Angriffe ab. Das harte Training zahlte sich jetzt aus. Während ihre Gegnerin schon nach kurzer Zeit sichtlich Schwierigkeiten mit der Luft hatte, schöpfte Julie trotz der Strapazen des Tages aus dem Vollen. Bald hatte sie ihre Gegnerin eindeutig bezwungen. Julie nahm den Helm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie würde alles tun, was nötig war, um hier zu bleiben. Das war sie ihrer Mutter einfach schuldig. Und Mathys.
Überall auf den Turnierplätzen herrschte hektische Betriebsamkeit. Obwohl die Mittagssonne brannte, ging keiner der Einwohner Tallyns nach Hause, um sich auszuruhen. Jeder wollte die Anwärterinnen sehen und sich selbst ein Bild davon machen, wer wohl in der Lage sein würde, das Pendel als Nächste zu hüten. Anouk war beliebt und mächtig.
Sie würde große Fußstapfen hinterlassen; wer würde am Ende der Ära Anouks hineintreten dürfen, um Tallyn zu regieren? Und würde die neue Hüterin sie ausfüllen können?
Mathys begrüßte Julie beeindruckt, aber leise; Daan lag im Schatten und ruhte sich aus. „Toll gekämpft, Julie, alle Achtung!“
Julie stieg eine leichte Röte bis an den Haaransatz. Es bedeutete ihr besonders viel, dass Mathys jetzt so freundlich war. Denn wenn er von seinem nächsten Kampf zurückkam, würde er wütend sein. Sie lächelte zu ihm hoch. „Habe ich dafür einen Wunsch frei?“, fragte sie ungewohnt neckisch.
Verdutzt sagte Mathys spontan: “Ja, sicher.“
„Das ist gut“, sagte Julie, „ich komme später darauf zurück.“
„Wenn es ein Später gibt“, schob Julie in Gedanken hinterher. Denn erst musste ihr Plan mal aufgehen.
Aewore stand schon bereit,
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