Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
kaum dass Mathys sich rüstete. Die alte Küchenfrau hatte auf Julies Geheiß Weihrauch-Kügelchen von Anouk und Suppe aus den Kesseln der Küchenfrauen geholt. Sie sollte sich um Daan kümmern, sobald er erwachte. Und vielleicht auch um Julie selbst; Julie wusste nicht, wie es ihr nach so einer Heilung gehen würde. Schon der kleine Versuch vorhin war zehrend gewesen. Aber ihr war klar, dass es keinen anderen Weg gab. Sie als Einzige aus der Gruppe war mit ihren Wettkämpfen fertig. Obwohl sie alles versucht hatten, würde Julie gehen müssen, wenn Daan nicht antreten konnte. Julie fand die Regeln zu hart, es musste doch eine Möglichkeit geben, die Prüfungen zu wiederholen, wenn man krank war. Aber Chris hatte mit seiner Meinung diesbezüglich tags zuvor nicht hinter dem Berg gehalten, als er die Anwärterinnen über das umfangreiche Programm für das Turnier aufgeklärt hatte: „Wenn der Vogt angreift, ist es egal, ob ihr Zahnschmerzen oder Bauchkrämpfe habt. Es gibt keine Entschuldigungen, keine Ausflüchte. Wenn ihr Hüterin und Gefährten seid, müsst ihr kämpfen – oder alle sterben. So einfach ist das.“ Eines der Mädchen hatte angefangen zu weinen. Chris hatte ihr die Hand unter das Kinn gelegt und sie angesehen. „Wenn du es nicht kannst, dann geh’. Keiner ist dir böse. Aber wenn du es willst, dann reiß’ dich zusammen und übe weiter.“ Das Mädchen hatte geschluckt – und dann wie eine Wahnsinnige die ledernen Schlagpolster bearbeitet.
Julie konnte das Mädchen gut verstehen, auch sie hatte Angst vor der Verantwortung. Es war nur gut, dass die Ausbildung so lange dauerte, so würden sie die Verpflichtungen einer Hüterin erst später übernehmen müssen.
Julie zwang sich, anzufangen. Es würde nicht lange dauern, bis Mathys zurückkam, und bis dahin musste sie fertig sein. Daan lag immer noch regungslos da und atmete flach. Julie legte ihm beide Hände auf die Stirn und konzentrierte sich. Sie konnte Daans Schmerzen spüren. Seit sie versehentlich in Mathys Kopf gewesen war, hatte Julie sich bemüht niemandem zu nahe zu treten, aber das hier war etwas anderes. Wenn sie ihn heilen wollte, musste sie den Herd des Schmerzes finden. Bilder tauchten auf. Ria im Sonnenlicht, Ria an der Quelle, Ria unter einem Baum – es schien als würde nichts anderes in Daans Kopf Platz haben. Sie war überrascht. Wenn Daan Ria auch liebte, warum waren die beiden dann nicht zusammen? Julie hatte keine Zeit mehr zu denken, denn sie fand das Zentrum des Schmerzes und begann zu heilen. Der Schmerz, den sie Daan nahm, fiel Julie an wie ein hungriger Wolf. Sie hätte später nicht sagen können, wie lange die Heilung gedauert hatte. Ihr kam es vor, als habe sie Stunden gewährt, Stunden voller Übelkeit und rasender Kopfschmerzen. In Wirklichkeit aber war nicht viel Zeit vergangen. Daan schlug die Augen auf und sah gerade noch, wie Julie neben ihm zusammensackte. „Iss die Suppe und nimm die Medizin“, forderte Aewore ihn sofort auf und hielt Daan eine Schüssel und Weihrauch hin.
Julie wurde kurz wach. Sie lächelte. Über ihr, im blauen Himmel schwebend, war Mathys liebes Gesicht zu sehen. Er schien sie von weit her zu rufen. Was sagte er nur? Sie verstand es nicht, sprach aber trotzdem zu ihm. „Es musste sein Mathys, sei nicht böse. Du darfst nicht böse sein, ich habe einen Wunsch frei“, flüsterte sie. Dann wurde sie wieder bewusstlos. Mathys merkte es nicht, aber ihm liefen die Tränen über die Wangen. Er strich Julie über die Haare. „Wir schaffen es, Julie, ich verspreche es.“
Ausnahmsweise erwachte Julie einmal nicht in der Burg, wie sonst, wenn ihr Kopf dröhnte, sondern in ihrem Bett im Winterlager. Kim saß auf dem gegenüberliegenden Bett und grinste. „Hi Julie, wie geht es dir?“, fragte sie, man sah ihr an, dass sie erleichtert war, weil Julie aufgewacht war.
„Nicht so gut, aber um nach den Jungs zu sehen wird es reichen …“, tönte Julie. Doch schon während sie ihre Füße über die Bettkante schwang, wurde ihr klar, dass es so nicht ging.
„Ist schon klar“, sagte Kim, “du bist topfit! Aber das mit den Jungs wird wohl nichts, die sind beim Kampftraining.“
„Was, wie, heute, am Turniertag?“, stammelte Julie vor sich hin.
„Wieso Turniertag, heute ist Mittwoch. Das war vor drei Tagen – Schlafmütze“, gab Kim zurück. Julie sank verblüfft in die Kissen zurück. Das hatte sie jetzt nicht erwartet. Dann kam ihr siedend heiß der wichtigste Gedanke in den
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