DS028 - Das Gold der Mayas
Maschinengewehre führte. »Je eher wir die Ratten hinter den Mauern ausschalten, desto eher können wir uns auch ein bißchen Vergnügen gönnen.«
»Das ist blasse Theorie«, widersprach ein Korporal. »Wir können verhindern, daß jemand den Palast betritt oder ihn verläßt, aber wir können nicht stürmen.«
Die Männer fluchten und starrten verdrossen zu den Palastmauern hinüber, hinter denen die Verteidiger sich verschanzt hatten. Der Sergeant setzte sich auf eine Munitionskiste und blickte sehnsüchtig zur Stadt.
Ein großer Mann in der Uniform eines Hauptmanns der hidalgischen Armee torkelte die Straße entlang. Seine Rangabzeichen waren abgerissen, die Mütze hatte er mit einem breitkrempigen Schlapphut vertauscht, und in der rechten Hand schwenkte er fröhlich eine halbvolle Flasche Whisky.
»
Viva!
« grölte der Hauptmann und blieb schwankend vor dem Sergeanten stehen. »Savage ist tot, es lebe der Anführer!«
»Geh zum Teufel«, sagte der Sergeant grob. Er griff nach der Flasche. »
Viva!
«
Der Hauptmann taumelte beängstigend, aber er hielt die Flasche fest.
»Die gehört mir!« sagte er undeutlich. »Warum holst du dir nicht selber was zu trinken?«
»Ja, warum nicht ...«, fragte der Sergeant rhetorisch. »Bis ich hier abgelöst werde, gibt’s in der ganzen Stadt keinen Tropfen Fusel mehr.«
Der Hauptmann nickte ernsthaft.
»So ist es«, sagte er. »Es ist jetzt schon nicht mehr viel da.«
Die Söldner ließen ihre Maschinengewehre im Stich und scharten sich um den Hauptmann. Tiefe Sorge stand auf ihren Gesichtern.
»Du meinst, die anderen haben den Vorrat schon fast weggesoffen?« fragte der Sergeant mit unnatürlicher Ruhe.
»Stimmt.« Der Hauptmann nickte gewichtig. »Fast alles weggesoffen ...«
Er drehte sich um die eigene Achse, verlor das Gleichgewicht und hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen. Er setzte die Flasche an, kippte sie und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Er hustete heftig und ließ beinahe die Flasche fallen. Der Sergeant nahm sie ihm ab und trank. Er wurde ein wenig freundlicher.
»Wir sind die einzigen, die hiergeblieben sind«, teilte er dem Hauptmann vertraulich mit. »Wir können nicht auch noch Weggehen, was wird dann aus den Maschinengewehren? Außerdem soll der Palast heute nacht noch gestürmt werden ...«
»Heute nacht?« Der Hauptmann schüttelte den Kopf und starrte glasig auf die Mauern. »Das geht nicht, ihr könnt nicht allein den Palast stürmen.«
»Nein«, sagte der Sergeant. »Das können wir nicht.«
Der Hauptmann beäugte die Flasche. Ungeschickt streckte er die Hand danach aus.
»Geben Sie her, die gehört mir!«
»Hauen Sie ab!« sagte der Sergeant entrüstet. »Ich behalte die Flasche, mehr kriege ich von dem Vorrat sowieso nicht ab.«
»Wie Sie wollen ...«, Der Hauptmann war gekränkt. »Ich hab’ ein paar Flaschen versteckt, ich wollte sie Ihnen und Ihren Leuten geben, aber jetzt bekommen Sie nichts!«
Er drehte sich um und torkelte weiter. Der Sergeant starrte ihm besorgt nach, dann schielte er zu dem Korporal hinüber. Der nickte heftig. Gemeinsam schlichen sie hinter dem betrunkenen Hauptmann her. Die Mannschaften an den Maschinengewehren sahen einander fragend an. Sie gönnten ihren Vorgesetzten die Beute nicht. Sie beschlossen, ihnen zu folgen, aber ohne daß diese etwas merkten.
Der Hauptmann war unterdessen in der Dunkelheit verschwunden. Die Söldner suchten noch eine Weile nach ihm, dann gaben sie auf und kehrten noch mißvergnügter als vorher zu ihren Waffen zurück. Sie hofften, daß ihre vorübergehende Abwesenheit nicht auffallen würde.
Wenig später hämmerten die Maschinengewehre wieder Stakkato, gleichzeitig schwang sich eine mächtige Gestalt über die Mauer und glitt lautlos und schemenhaft auf den Palast zu; die Verteidiger waren beschäftigt und achteten nicht darauf, was hinter ihnen vorging.
Avispa hörte, wie von außen an sein Fenster geklopft wurde. Er griff nach der Pistole und wirbelte herum, im gleichen Augenblick wurde das Fenster auf gestoßen, ein Mann in Hauptmannsuniform ohne Rangabzeichen und mit einem Schlapphut auf dem Kopf schwang sich herein.
Avispa kümmerte sich nicht um die Uniform und um den Hut, er sah nur die Augen des Mannes.
Die Augen waren wie unergründliche Seen, auf denen Blattgold schwamm, das von einem leichten Wind in Bewegung gehalten wurde.
11.
Avispa lebte von einer Sekunde zur anderen auf, die Greisenhaftigkeit schien von ihm abzufallen
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