DS030 - Hannah,die Hexe
hatten, und sah sich um.
Der Tresor war in die Wand gebaut und von einem großen Ölgemälde verdeckt; das Gemälde ließ sich an Schienen zur Seite bewegen. Das Schloß des Tresors war nicht besonders kompliziert, ein routinierter Geldschrankknacker hätte es in zehn Minuten öffnen können. Doc hatte mehr Übung in solchen Dingen als ein Geldschrankknacker. Er brauchte nur fünf Minuten.
Der Tresor war so hoch, daß ein Mann bequem darin stehen konnte. Doc trat ein und lehnte die Tür hinter sich an. Er zog seine Taschenlampe heraus und schaltete sie ein.
Eine halbe Stunde später schlug die Klingel am Eingang an. Eine Weile geschah nichts, dann rührte sich die Glocke abermals. Schlurfende Schritte tappten aus dem Obergeschoß in die Halle, die Deckenbeleuchtung flammte auf.
»Oh verdammt«, murmelte eine schläfrige Stimme, »in diesem Haus hat man nicht einmal nachts seine Ruhe!«
Eine Sperrkette wurde abgenommen, die Tür ging auf.
»Siehst du die Kanone in meiner Hand?« fragte ein Mann. »Du mußt nur schreien, dann erfährst du, wie sie funktioniert!«
13.
Der Butler war dürr und hieß Alvin. Er schätzte es absolut nicht, nachts aus dem Bett geholt zu werden und unvorbereitet einem Revolvermann gegenüberzustehen, und schon gar nicht mochte er es, wenn der Revolvermann von drei Komplicen begleitet wurde. Er starrte die Männer an, zitterte und schluckte.
»Gnade!« sagte er weinerlich.
Die Männer feixten. Zwei von ihnen fesselten dem Butler die Hände auf den Rücken und trieben ihn zurück in die Halle, die beiden anderen postierten sich an der Tür zur Bibliothek, die gegenüber dem Arbeitszimmer lag. Die vier Männer schienen ihr Handwerk zu verstehen, jedenfalls gehörten sie nicht zu jenen aufgeregten Typen, die irgendwo ein Ding drehen, das Geld in Rauschgift umsetzen und geschnappt werden, weil sie das Rauschgift nicht vertragen. Sie waren ruhig und sachlich, und in ihren Augen stand das Selbstvertrauen, das nur eine langjährige Praxis verleiht.
»Wir wissen, daß im Haus noch drei Angestellte sind«, sagte einer der Männer, die den Butler in die Halle getrieben hatten. Kühl musterte er den Mann. »Die Leute schlafen im zweiten Stock. Klopfen Sie an die Türen und rufen Sie sie einzeln herunter.«
Alvin zögerte. Der Mann zeigte ihm ganz in der Nähe das schwarze Loch im Lauf seines Revolvers.
»Oder soll ich es lieber selber machen?« fragte er milde.
»Ich ... ich mach’s!« stotterte Alvin.
Die beiden Männer gingen mit ihm in den zweiten Stock und kamen wenig später mit den restlichen Angestellten – zwei Stubenmädchen und einer Köchin – wieder herunter. Auch die Frauen waren gefesselt, außerdem hatten die Gangster sie geknebelt.
Nun schickten die vier Gangster ihre Gefangenen vor sich her ins Arbeitszimmer. Zwei Gangster schlossen die Gardinen, die beiden übrigen schalteten die Deckenbeleuchtung ein. Sie fanden den Tresor sofort; das große Ölgemälde, das ihn tarnte, war zur Seite geschoben. Einer der Gangster fuchtelte an seinem Schießeisen herum.
»Hinlegen!« sagte er scharf zu den Angestellten.
Alvin und die Frauen kamen hastig der Aufforderung nach. Per Gangster, ein großer, kräftiger Bursche mit bemerkenswert häßlicher Visage, schnitt die Vorhangschnur ab und band seinen Opfern damit die Füße zusammen. Dann wandte er sich an Alvin, der nach wie vor nicht geknebelt war.
Okay, mein Freund«, sagte er schroff. »Mach dein Maul auf! Wie lautet die Kombination für den Kasten?« Er deutete auf den Tresor. Alvin zitterte noch heftiger, seine Zähne ratterten. Es dauerte eine Weile, bis er die Sprache wiedergefunden hatte.
»Ich ... ich weiß nicht«, stammelte er. »Gnade!«
»Das ist gelogen«, entschied der Gangster und trat dem Butler ins Gesicht. »Rede!«
Der Butler spuckte Blut und Zähne aus und wimmerte.
»Ich weiß es wirklich nicht«, jammerte er. »Gott ist mein Zeuge! Ich schwöre, daß ich nichts weiß. Außer Mr. Knight kennt niemand die Kombination, und er ist im Krankenhaus.«
»Natürlich ist er im Krankenhaus.« Einer der Gangster lachte rauh. »Als ob uns das nicht bekannt wäre ...«
Der Mann mit der gemeinen Visage, offenbar der Anführer, wandte sich an einen seiner Komplicen.
»Nick«, sagte er. »Sieh mal zu, ob du da nichts machen kannst.«
Nick ging zum Geldschrank. Seine langen, schlanken Hände tasteten über die Zahlenskala und über das Schloß, er drehte an der Skala herum und lauschte, dann griff er
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