DS033 - Die Blutfalken
Fiesta war allein weitergegangen. Im selben Augenblick meldete eine dröhnende Stimme sich zu Wort,
»Hände hoch!« schrie die Stimme.
Jones war inzwischen auch weitergegangen und blieb nun abermals stehen.
»Der Sheriff«, sagte er vor sich hin. »Der Sheriff und ein paar Deputies – welch ein glücklicher Zufall!«
Das Mißverständnis wurde ihm sofort deutlich.
»Soll ich sie abknallen?« fragte eine andere Stimme. »Sicher«, sagte die erste Stimme. »Schieß sie über den Haufen.«
Ein Revolver bellte auf, eine Kugel strich nah an Hobo Jones vorbei, und er war plötzlich dankbar für die Dunkelheit, die er vorher verflucht hatte. Fiesta warf sich zu Boden.
»Laufen Sie weg, Jones!« kreischte sie. »Die Kerle haben mich gepackt! Rennen Sie zum Sheriff!«
Die Männer hatten sie noch nicht gepackt, aber sie rückten vor und waren im Begriff, es zu tun.
»Sie haben mich gepackt!« kreischte Fiesta noch einmal. »Verschwinden Sie!«
Sie hörte, wie Hobo Jones durch das Dickicht brach, er verursachte ein Getöse wie eine Mähmaschine. Abermals krachte ein Schuß, die Kugel prallte an einen Felsen und stieg mit einem Wolfsgeheul in den schwarzen Himmel. Eine abgesägte Flinte ballerte zweimal, die Männer schimpften lauthals.
Dann kam es zu einem jener Zwischenfälle, die geschehen, wenn Menschen aufgeregt sind und nicht planmäßig handeln. Der Mensch mit der dröhnenden Stimme und seine Helfer hatten gehört, wie Fiesta gerufen hatte, man hätte sie gepackt, und da es in der Tat außerordentlich finster war, sahen sie einander nicht. Jeder nahm an, die übrigen hätten Fiesta gefangen. So machten sie sich beruhigt an die Verfolgung von Hobo Jones. Fiesta blieb sich selber überlassen.
Sie stand fassungslos auf und lauschte auf den Lärm, der sich in der Ferne verlor. Fieberhaft überlegte sie, was sie unternehmen konnte, um Jones zu helfen, aber ihr fiel nichts ein. Sie war unbewaffnet, außerdem hatte sie noch nie in ihrem Leben einen Schuß abgegeben. Und da waren die fünf mordgierigen Männer, alle bewaffnet und – nach den Geräuschen zu urteilen – bemerkenswert schießwütig. Fiesta starrte in den bewölkten Himmel und schickte ein Stoßgebet hinauf.
»Lieber Gott«, sagte sie, »bitte, laß es so dunkel bleiben.«
Es blieb so dunkel.
Fiesta wartete noch ein paar Minuten, dann entschied sie, daß Hobo Jones bestimmt ein brillanter Läufer war und die Verfolger keine Chance gegen ihn hatten. Wahrscheinlich war er schon in Sicherheit, denn die Kerle fluchten, daß es vermutlich auf der anderen Seite der mexikanischen Grenze zu hören war.
Fiesta stieg in ihr offenes Geburtstagsauto. Es erschien ihr angebracht, an ihre eigene Rettung zu denken. Sie betätigte die Zündung, sagte noch ein Stoßgebet auf, trat auf Kupplung und Gas und freute sich über das Wunder, als der Motor ansprang. Sie schaltete die Scheinwerfer an, die annähernd so viel Licht spendeten wie zwei Glühwürmchen, und fuhr die Landstraße entlang. Sie fuhr so schnell wie möglich. Tatsächlich schaffte der Wagen etwa vierzig Meilen in der Stunde, lediglich das Geklapper war bei diesem Tempo ein wenig lästig.
Von Zeit zu Zeit blickte Fiesta sich um, und plötzlich stellte sie fest, daß ihr ein Vogel folgte.
4.
Die Wolken hatten sich wieder geteilt, nicht nur die Sterne, sondern auch der Mond war zu sehen, der Vogel war deutlich zu erkennen, und Fiesta stieß wieder einen Schreckensschrei aus. Dann überlegte sie, daß ohnehin niemand sie hören konnte, und verstummte. Gewaltsam nahm sie sich zusammen.
»Ich hab schon Vögel im Kopf«, sagte sie laut vor sich hin, nicht anders, als Hobo Jones es immer wieder tat, »und wenn der Vogel wirklich da ist, dann ist er bestimmt klein und friedlich.«
Abermals wandte sie sich um. Noch vor wenigen Minuten schien der Vogel nicht sehr groß zu sein, aber mittlerweile war er näher gerückt und ziemlich umfangreich.
»Oh!« sagte Fiesta. »Oh, oh!«
Sie trat das Gas bis zum Anschlag durch, jagte um eine Kurve, hinunter in eine Schlucht und wieder heraus und gelangte auf eine gerade Strecke, die ihr erlaubte, sich noch einmal umzudrehen.
»Das Hexenhuhn!« sagte Fiesta atemlos.
Auf dem Stuhl in dem angeblichen Strohschober hatte der Vogel riesig wie eine Ziege gewirkt. Dieser Vogel hier konnte nicht der aus dem Schober sein, aber wahrscheinlich war er sein Zwillingsbruder, und hinter dem Wagen nah über der Fahrbahn sah er aus wie ein Flugzeug.
»Schneller!« sagte
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