DS087 - Der purpurne Drache
dürften Sie recht haben, mein Freund«, warf eine fremde Stimme ein.
Renny fuhr überrascht zu der Tür herum. Er hatte vergessen, daß sie angelehnt geblieben war. Jetzt war sie weit offen. Ein Fremder mit wohlwollendem, ernstem Gesicht stand in ihr.
8.
Lässig kam der Fremde in die Empfangsdiele hereingeschlendert. Er war grauhaarig, weder groß noch klein, aber mit einem selbstsicheren Gehabe, das darauf schließen ließ, daß er es gewohnt war, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Ungewöhnlich dichte Brauen, die wahrscheinlich schwarz nachgefärbt waren, gaben ihm ein würdevolles Aussehen.
»Gestatten Sie«, sagte er gewandt und hielt Doc Savage seine Visitenkarte hin.
Der Bronzemann sah sie überhaupt nicht an. »Setzen Sie sich, Mr. Falcan«, forderte er ihn ganz ruhig auf.
»Ach, ich sehe, Sie kennen mich.« Der Grauhaarige lächelte verbindlich. »Das wird meine Aufgabe leichter machen.« Selbstsicher nahm er Platz.
Rennys Augen verengten sich leicht. Auch er hatte den Mann erkannt, obwohl er ihm noch niemals persönlich begegnet war.
Dieser Mann, Fielding Falcan, war einst der bekannteste – oder auch berüchtigste – Strafverteidiger in den ganzen Vereinigten Staaten gewesen. In den letzten Jahren hatte er diese Tätigkeit aber aufgegeben, oder zumindest war sein Name kürzlich nicht mehr in die Schlagzeilen gelangt. Aber nichtsdestoweniger besaß er einen scharfen juristischen Verstand, den sogar Ham respektierte.
Aber Renny erinnerte sich auch noch an anderes, was Ham ihm gesagt hatte – daß Falcan nicht sehr wählerisch war, diesen scharfen Verstand zu benutzen, mehr um die Justiz zu blockieren, als ihr zu helfen.
Fielding Falcan fuhr sich mit den Fingern durch seinen wilden grauen Haarschopf und lachte kurz auf. »Eine Aufgabe, die ich nicht liebe«, gestand er, »da sie nichts mit einem Mandanten zu tun hat. Aber dieses eine Mal muß ich mich, glaube ich, von mir aus auf die Seite von Recht und Ordnung schlagen.«
Doc sagte nichts. Aber seine goldflackernden Augen glitzerten eigenartig.
»Es ist so«, sagte Falcan, ohne auch nur eine Spur von Verlegenheit an den Tag zu legen. »Ich glaube, ich weiß, wer der Purpurne Drache ist – oder vielmehr, was hinter ihm steckt. Ich glaube, ich kenne auch seine Absichten. Und ich weiß, er muß gestoppt werden. Aber ich zögere, ihn der Polizei zu übergeben, die wahrscheinlich höchst brutal mit ihm umspringen würde.« Er hielt inne und lächelte gewinnend.
»Das Ganze ist ausgesprochen ein Fall für Sie, Mr. Savage«, sagte er im Brustton der Überzeugung. »Ein Fall, in dem Sie wahrscheinlich mehr ausrichten werden als eine ganze Armee von Polizei.«
Wieder hielt er inne, aber diesmal wurde sein Lächeln leicht unsicher. Er holte tief Luft. »Es verhält sich so. Dieser Mann ist in seiner Art ein Genie. Ich kenne ihn seit Jahren. Er ist ein Meister vieler Künste. Aber in letzter Zeit, fürchte ich, ist sein Geist derangiert worden. Ein tragischer Todesfall in seiner Familie ist wohl der Grund dafür. Als Folge dieser Geistesverwirrung versucht er jetzt, sich gleichzeitig als Richter, Geschworener und Scharfrichter über das Leben Dutzender anderer Menschen aufzuspielen.«
»Sie meinen ...« warf Doc ein.
»Ich meine, daß er eine Methode gefunden und perfektioniert hat, Kriminelle an den Schauplatz ihrer früheren Verbrechen zurückzubringen. Und wenn dies geschieht, läßt er sie sterben. Er ist entschlossen, die Welt von Kriminellen zu befreien, denen es irgendwie gelungen ist, dem Gesetz zu entgehen.«
Einen Moment lang trat tiefe Stille ein. Doc Savage rührte sich nicht. Nur Renny beugte sich eifrig vor.
»Es stimmt, Doc«, sagte der große Ingenieur heiser. »Alles paßt genau zusammen. Es erklärt, warum ausgerechnet deine .Absolventen...«
»Und wie ist der Name dieses Mannes, Mr. Falcan?« fragte Doc höflich.
Fielding Falcan setzte sich gerade in seinem Sessel auf. Sein Gesicht wurde eine Schattierung blasser, aber seine Stimme klang fest, als er sagte: »Sein Name ist Grover Tiler. Sie finden ...«
Rums! Der Knall einer Detonation kam aus dem hinteren kleinen Abstellraum in Docs Bürosuite.
Gleich darauf kam ein Schrei, der nach Terror und Todesangst klang. Dieser Schrei wurde von einer zweiten Explosion abgeschnitten, noch gewaltiger als die erste.
Renny hatte sich bereits bei dem ersten Knall in Bewegung gesetzt, aber noch vor ihm langte Doc in dem kleinen Raum an, in dem sie die Gefangenen gelassen
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