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Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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am östlichen Steilufer in der frühen Morgendämmerung Riesenraupen gesehen – vier oder fünf, die von den Felswänden herabhingen.
    Â»Da werden sie wie immer ihre Schweinereien hingekritzelt haben«, seufzte Vater verdrossen. »Und wir müssen sie unter Aufsicht des Großarchons wieder entfernen.«
    Â»Hoffentlich kommen sie nicht weiter flussabwärts«, sagte Mutter und rieb sich nervös die Nase. »Ich möchte nicht noch einmal einen Überfall auf das Dorf erleben.«
    Vater lächelte zuversichtlich. »Keine Angst. Wir sind inzwischen gut gerüstet und können diesen Biestern einen heißen Empfang bereiten.«
    Â»Wie denn?« Mutter starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
    Â»Mit Laserkanonen. Der Großarchon hat zwei dieser Waffen angeschafft und bewahrt sie im Tempel auf. Er hat sie an den Götzenbildern ausprobieren lassen. Sie sind sehr effektiv. Die Steine spritzen nur so davon, wenn sie der Lichtstrahl trifft. Es ist unglaublich.« Vater lachte und nickte mir zu. »Ja, mein Junge, Gott ist auf unserer Seite. Es ist das Licht Gottes, sagt Seine Heiligkeit. Er hat es uns an die Hand gegeben, um Seinen Willen zu erfüllen. Wir werden siegen und alle gottlosen Ungeheuer dieser Welt – einer Welt, die der Allmächtige für uns ausersehen hat – auslöschen.«
    Ich zog den Kopf ein. Vater hörte sich an wie der Großarchon.
    Am Abend krochen die Aspen die Wände hoch, um sich an sicheren Stellen zu verpuppen und sich so vor dem für ihre weichen wurmartigen Körper tödlichen Geschosshagel von Sandkörnern zu schützen. Ein sicheres Zeichen, dass ein Sturm kommen würde. Und am Morgen zogen sich die Gefährtinnen des Flusses ins Erdreich zurück – nur ihre halbrunden Kuppen ragten noch heraus wie die Kappen von Pilzen, die Trinkrüssel eingerollt und sorgsam um sich geschlungen.
    Wir trugen das Boot auf die Uferböschung, drehten es um und sicherten es mit Pflöcken und Stricken. Dann rollten wir die Jalousien aus Binsen entlang der Spaliere herunter und pflockten sie am Boden fest – sie würden wenigstens das Schlimmste vom Garten fernhalten. Wir wechselten uns an der Pumpe ab, bis die Zisterne auf dem Dach bis zum Rand mit Wasser gefüllt war. Sie wurde mit einer Steinplatte abgedeckt und mit Lehm, den Vater aus dem Ufer grub, abgedichtet. Wir holten die schweren Holzläden aus dem Keller und hängten sie an den Fenstern und der Tür ein. Schließlich stellten wir gefüllte Wassereimer in die Zimmer und weichten Tücher ein, damit wir die Gesichter abdecken konnten.
    Bald darauf verschwand die Sonne, der Himmel wurde dunkel, und von den Dünen jenseits des Flusses wehten lange fahle Mähnen – es war, als machten sie sich bereit zum Sprung über das Wasser, um ihre Krallen ins diesseitige Ufer zu schlagen. Das Grün der Ufersäume verschwand unter einem düsteren Schwall von Staub. Vater und ich dichteten die Fenster und die Tür ab, dann zogen wir uns in die Küche zurück, wo Mutter die Lebensmittel mit Töpfen und Schüsseln und zusätzlich mit Tüchern zugedeckt hatte. Ein Kreischen erhob sich, als wären Tausende von Teufeln losgelassen worden. Und es wurde immer lauter. Die Luft roch wie ein scharfes Gewürz, das Atmen wurde zur Qual. Ich legte mich hin, breitete ein nasses Tuch über mein Gesicht und krümmte mich zusammen. Nun galt es auszuharren, Stunde um Stunde. Mutter betete laut und lamentierte unentwegt, aber durch den feuchten Lappen auf ihrem Gesicht war nur ein dumpfes Wimmern zu hören.
    Von Zeit zu Zeit öffnete Vater die Leitung in der Wand und ließ frisches Wasser aus der Zisterne in die Eimer plätschern, damit wir unsere Tücher eintauchen konnten. Die Luft wurde rasch schlechter. Das Haus erbebte unter den Faustschlägen des Sturms. Der Sand prasselte gegen die Holzfassade, schien kübelweise dagegengewuchtet zu werden. Einige Male drohte es gar von den Fundamenten gerissen und umgestürzt zu werden. Der Boden unter meiner Wange richtete sich auf, und ich begann wie von einer Felswand abzurutschen. Erschrocken schrie ich auf, riss den Lappen vom Gesicht und suchte mit den Augen Halt. Doch das Haus stand noch, nichts hatte sich verändert. Die beiden Kerzenflammen wurden von der Zugluft hin und her gerissen, eine erlosch. Vater reichte mir einen Krug Wasser. Sein Gesicht, seine buschigen

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