Dschungel-Gold
verstaatlichen. Dann wird Militär den Diwata-Berg besetzen, im Interesse des Staates. Auch – nein, gerade – Minister wühlen gern im Gold.«
»Es gibt Gesetze!«
»Ach, lieber Doktor … das sagen Sie in Manila? Sind Sie genauso blind wie Mrs. García, genauso naiv? Gesetze sind wie Eier – man kann sie weich gekocht essen oder hart. So, wie man sie braucht. Die Regierung würde den Goldberg Diwata sofort enteignen und besetzen, wenn bestimmte Herren sich daran beteiligen könnten.«
»Ich habe eine Armee von dreißigtausend Diggern!« schrie Belisa.
»Und das Militär hat Panzer und Raketen.«
»Die Weltöffentlichkeit würde aufschreien!« rief Dr. Falke empört.
»Einen Scheißdreck würde sie tun. Wen interessiert im Liegestuhl am Strand von Miami, was da in Mindanao passiert? Die Brüste im Liegestuhl nebenan sind interessanter und greifbarer. Ein Supergirl, mit Silikon veredelt. Goldgräber im Dschungel – die kennt man aus Hollywood-Filmen. Eine Saubande! Aber die langen Beine da, das sind sexuelle Wegweiser. Dr. Falke, das Leben ist so einfach. Es besteht aus einem Satz: Fressen oder gefressen werden. Mich kann man nicht fressen.« Er nickte zu der vor Wut zitternden Belisa hinüber. »Ob sie das begreift? Vielleicht können Sie es ihr erklären.«
»Wir haben also Krieg?«
»Ich habe ihn nicht begonnen. Zwischen Juan Perón Toledo und mir war immer Frieden.«
»Weil er sich von Ihnen betrügen ließ! Das ist jetzt vorbei!« schrie Belisa. »Vorbei! Vorbei!«
Im Hintergrund der Halle erschien Jacinto. Er sah sehr unglücklich aus.
»Kann ich weiter servieren?« fragte er.
»Schmeiß alles in den Müll!« Belisa griff nach einem Kristallglas und warf es an die Wand. Aber die Seide, mit der sie bespannt war, war dick unterfüttert … das Glas fiel unversehrt auf den chinesischen Palastteppich. Da warf sie den Kopf in den Nacken, gab Dr. Falke ein Zeichen und verließ, vorbei an dem bleich gewordenen Ferreras, den Speisesaal des chinesischen Grabes. Dr. Falke folgte ihr wortlos.
Liborio blickte ihnen nach und schüttelte den Kopf.
»Kein Benehmen mehr, diese Jugend«, sagte er und lehnte sich zurück in den geschnitzten Sessel. »Jacinto, sie haben kein Benehmen mehr. Laß den Lechon kommen. Ich freue mich auf das Ferkelchen. Der Genuß sollte immer im Vordergrund stehen. Es ist schrecklich, dumme Menschen um sich zu haben …«
Das knusprige Spanferkel in der Schweinelebersoße war wirklich unübertrefflich. Und dazu noch der australische Cabernet … Liborios Zunge schwelgte im Paradies.
Nach drei Tagen landeten Belisa und Dr. Falke wieder auf der in den Urwald geschlagenen Flugpiste von Diwata. Schon als sie in niedriger Höhe die Slumstadt überflogen, die Schachteingänge, die Steinmühlen, die Goldwaschanlagen und dazwischen das Heer der halbnackten, schwitzenden, meist braunhäutigen Männer, die Kolonnen mit Säcken und Loren, die von oben aussahen wie ein wimmelnder Haufen brauner Maden, legte Belisa ihre rechte Hand auf Dr. Falkes Arm.
»Das ist unsere Welt!« sagte sie mit heiserer Stimme. »Verdammt, ich liebe sie.«
»Keine Sehnsucht nach den Seidentapeten von Manila?«
»Nicht einen Hauch.« Sie zeigte nach unten auf das Labyrinth der Hütten, Wege und Abwasserkanäle. »Da gehöre ich hin.«
»In eine Welt aus Dreck und Hoffnungslosigkeit, Träumen und elendem Tod?«
»Wir wollen es ja besser machen, Doktor.«
»Mit dreißigtausend Entwurzelten? Mit Glücksrittern, Abenteurern, Kriminellen und Gesetzlosen?«
»Auch das sind Menschen. Warum sind Sie sonst in Diwata?«
Dr. Falke gab darauf keine Antwort … er hatte sie schon hundertmal gegeben. Verblüffend war nur die plötzliche Sinneswandlung von Belisa; wurden aus menschlichen Handwerkszeugen, als die sie ihre Arbeiter betrachtet hatte, auf einmal wirklich Menschen?
»Glauben Sie, daß Liborio seine Drohung wahr macht?« fragte er, um das Thema zu umgehen.
»Welche Drohung?«
»Daß er das Militär auf uns hetzt.«
»Er blufft.«
»In vielem hat er recht. Überall blüht die Korruption. Vom Minister bis zum kleinen Stempelbeamten. Das Offizierscorps ist sowieso immer unzufrieden, die Politiker basteln an ihrem Profil und schielen auf Regierungssessel. Das Kassieren eines ganzen Goldberges wäre ein spektakulärer Erfolg für alle Kreise. Wenn Liborio die nötigen Verbindungen hat …«
»Wenn! Mein Schwager hat sie auch! Keiner nimmt einem Toledo etwas weg.«
»Toledo ist weit weg.«
»Aber seine
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