Dschungel-Gold
Schnapsbrennerei. Es war eine Idee von Belisa gewesen. Eines Tages hatte sie gesagt:
»Wenn ich sehe, wieviel Geld ausgegeben wird, um Rum, Whisky, Gin und Brandy in Davao oder Sandi Diwalwal zu kaufen … es wäre doch ein gutes Geschäft, Rum und Brandy selbst herzustellen. Und auch Palmwein und Reiswein … wir haben doch alle Grundstoffe um uns herum!«
Und so erschienen eines Tages vier Experten in Diwata, unterdrückten ihr Entsetzen über das, was sie sahen, und unterbreiteten Vorschläge zur Errichtung einer Brennerei. Vor allem der Lambanog war leicht herzustellen … Lambanog, der höllische Schnaps aus gebranntem Palmwein. Wer nicht an ihn gewöhnt war und sich damit betrank, verlor für mindestens zwei Tage jede Orientierung. Außerdem konnte man Schnaps aus Mais und Getreide brennen und den Alkohol mit chemischen Mitteln vermischen, so daß er nach Whisky oder Gin schmeckte. Rum zu destillieren, war ebenfalls kein Problem – die Zuckerrohrmelasse konnte man in großen Fässern billig nach Diwata transportieren.
»So machen wir es!« hatte Belisa bestimmt. »Ich will in allem so selbständig wie möglich sein. Ich soll verdienen, nicht die anderen.«
Seit einem Jahr nun ratterten die Sägegatter, und im Norden Diwatas stank die Luft nach Alkohol. ›Bürgermeister‹ Miguel García ordnete an, daß die Kneipen ihren Alkohol nur noch aus der stadteigenen Brennerei beziehen durften. Um diesen Erlaß zu unterstreichen und heimliches Zuwiderhandeln zu unterbinden, setzte Miguel seine Miliztrupps in Bewegung: Sie zogen von Kneipe zu Kneipe, räumten die Regale aus, zerschlugen die Flaschen auf der Straße, ohrfeigten die Wirte und sagten:
»Wenn du noch eine Flasche fremder Hersteller verkaufst, pissen wir dir hinein, und dann trinkst du sie aus!«
Von da ab wurde nur noch Alkohol der Diwata-Brennerei ausgeschenkt.
Belisa besuchte also mit ›Bürgermeister‹ Miguel das fertiggestellte Krankenhaus und ließ sich von Dr. Falke herumführen. Sie war über zwei Monate lang nicht mehr bei Dr. Falke gewesen, sie hatte so getan, als gäbe es ihn gar nicht. Wenn er sie sprechen wollte, geriet er stets an Miguel, der seine Wünsche an Belisa weitergab und ihm später ihre Entscheidungen mitteilte. Dr. Falke hatte keine Erklärung für dieses Verhalten. Andererseits war er selbst so stur, sie nicht in ihrer Hütte zu besuchen, wo sie Tag um Tag das gewonnene Gold einsammelte, abwog, registrierte, in Säckchen verpackte und den Verkaufspreis kalkulierte. Umkreist von Avilas Sicherheitssoldaten war die ›Zentrale‹, wie man die mit Holztafeln umgebaute Hütte bald nannte, wie eine Festung, in der Belisa so primitiv wie bisher hauste … auf kahlem Boden, mit einem eisernen Bett, mit an Nägeln hängenden Kleidern, mit einem Tisch und zwei Stühlen. An der Wand hing ein großes Foto ihres Vaters. Nur einen Luxus gönnte sie sich: In einem winzigen Anbau waren ein Waschbecken, ein Klosett und eine Dusche installiert.
»Warum lebt sie so?« hatte Dr. Falke Pater Burgos einmal gefragt. »Ich begreife das nicht.«
»Sie nennt es bürgernah. Bei den Arbeitern kommt das an.«
»Und in Davao logiert sie wie ein indischer Maharadscha in einem luxuriösen Penthouse.«
»Davao ist nicht Diwata.«
»Das ist doch nichts als Schmierentheater!«
»Die ganze Welt ist mehr oder weniger ein Theater. Jeder spielt eine Rolle, ob er will oder nicht.«
»Sie auch?«
»Ich spiele die Rolle eines Priesters, der in einer irdischen Hölle ein paar Seelen retten will.«
»Und was bin ich?«
»Eine Art Harlekin.«
»Danke.« Dr. Falke verzog sein Gesicht. »Und wieso?«
»Sie haben – spielen wir mal ein klassisches Stück – Ihre Kolumbine gefunden, aber Ihre Liebe ist aussichtslos. So spielen Sie automatisch den traurigen Harlekin.«
»Sie irren, Pater!« Dr. Falke bemühte sich, dem Blick des Priesters standzuhalten. »Ich bin nicht in Belisa García verliebt.«
»Lügen gehören in jedes Theaterstück.« Burgos lächelte und winkte ab, als Dr. Falke protestieren wollte. »Ich sehe doch Ihre Unruhe, weil sich die Lady so lange nicht blicken läßt. Auch das gehört zu ihrem Spiel: Sie kocht Sie weich, in Ihrem eigenen Saft. Sie zeigt Ihnen, wie unentbehrlich sie für Sie ist.«
»Unsinn!«
Nun war sie also gekommen, ging durch das Krankenhaus und sagte kein Wort. Erst als sie in die große Baracke kam, die Pater Burgos als Kirche eingerichtet hatte, blieb sie stehen.
Die Kirche war ein Glanzstück des Neubaus
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