Dschungel-Gold
Maßnahme, denn es gab Hunderte von Möglichkeiten, die Slums zu verlassen.
Gegen Morgen betrat Avila das Lazarett. Er sah sehr ernst aus.
»Kommen Sie mit, Doktor«, sagte er. »Helfen können Sie nicht mehr … aber Sie sollten sich das ansehen.«
In einem Jeep fuhren Avila, Dr. Falke und Pater Burgos die Hauptstraße hinunter zur Verwaltung. Vor dem Gebäude stauten sich die Menschen, Avilas Soldaten versperrten den Eingang, das Gemurmel von Hunderten Stimmen erfüllte die Luft. Im Flur trafen sie auf Belisa und ihre Brüder. Sie sah sehr blaß aus und spreizte immer wieder nervös die Hände.
»Was sagen Sie dazu?« Sie rannte Dr. Falke entgegen, als wolle sie bei ihm Schutz suchen.
»Ich weiß ja noch gar nichts …« Dr. Falke wandte sich an Avila. »Was ist passiert?«
»Kommen Sie mit.«
Sie betraten ein Zimmer am Ende des Ganges. Es war das Schlafzimmer von Ramos, das Dr. Falke von vielen Besuchen kannte. Schon als Avila die Tür öffnete, ahnte Dr. Falke, was er sehen würde. Eine riesige Blutlache bedeckte den Dielenboden.
Ramos lag vor seinem Bett. Genauer gesagt: einzelne Stücke von ihm schwammen im Blut. Man hatte ihm nicht nur den Kopf abgehackt, auch seinen Körper hatte man zerteilt. Arme, Beine, der Rumpf bildeten einen Fleischhügel. Avila lehnte sich an den Türrahmen. Dr. Falkes Entsetzen verwunderte ihn.
»Macheten«, erklärte er. »Man hat Ramos mit Macheten zerhackt. Ich kenne das von den Dschungelkämpfen.«
»Mein Gott!« Dr. Falke warf noch einen Blick auf die Reste von Felipe Ramos und verließ dann schnell das blutverschmierte Zimmer. »Wer tut so etwas?«
»Ramos hatte viele Feinde in Diwata. Aber das hier war ein Anschlag auf die Mine. Das Magazin ist gesprengt, die Sortieranlage zerstört, die Quecksilberwäscherei schwer beschädigt. Für mindestens zwei Wochen fällt die Produktion aus. Dahinter steckt eine radikale Gruppe von Fanatikern, die noch immer auf Mindanao herumspuken. Sie kämpfen gegen alles und gegen jeden. Und sie sind wie Gespenster – sie tauchen plötzlich auf, und wenig später sind sie spurlos verschwunden. Der Dschungel saugt sie auf und preßt sie wieder raus. Der Dschungel ist wie ein riesiger Schwamm. Aber wir wissen jetzt, daß sich um uns herum eine Gruppe dieser Fanatiker versteckt.« Avilas Gesicht wurde maskenhaft starr. »Das war der erste Angriff. Es werden weitere folgen. Doktor, Sie werden in Zukunft viel Arbeit bekommen.«
»Wenn alle so aussehen wie Ramos – kaum!« Dr. Falke flüchtete sich in Sarkasmus. »Und wie können wir uns davor schützen?«
»Vor Sabotageakten, vor Einzelkämpfern … so gut wie gar nicht! Aber es würde helfen, wenn wir einen von ihnen in die Finger bekämen.«
»Und dann?«
»Dann würden wir ihn zur Warnung ausstellen.« Avila sagte das in ganz ruhigem Ton. »Wir würden ihn bei lebendigem Leibe enthäuten, an einen Ast hängen und dort verfaulen lassen. Das war eine Spezialität verschiedener Eingeborenenstämme. Sehr wirkungsvoll.« Er schwieg einen Moment, weil Pater Burgos in das blutbesudelte Zimmer trat, vor Ramos' Überresten niederkniete und betete. »Mich wundert, daß die Priester so ein dickes Fell haben«, sagte er dann. »Wenn diese mordenden Fanatiker in die Stadt kommen, gehen sie in die Kirche und knien vor dem Altar nieder. Sie bekreuzigen sich … und Gott erschlägt sie nicht. Ich kann an diesen Gott nicht mehr glauben.«
»Das hätte ich von Ihnen auch nicht erwartet.«
Am Eingang traf Dr. Falke wieder auf Belisa und ihre Brüder. Sie lief ihm sofort entgegen, was die drei Brüder mit einem hundeähnlichen Knurren begleiteten.
»Ist das nicht furchtbar?« rief sie. Ihre Stimme zitterte.
»Sie wollten Ramos doch sowieso entlassen«, antwortete Dr. Falke.
»Aber doch nicht umbringen!« schrie sie ihn an.
»Sie haben seine Einzelteile gesehen?«
»Natürlich.«
»Und sind nicht in Ohnmacht gefallen?«
»Warum?« Sie begriff Dr. Falkes Provokation, stemmte die Hände in die Hüften und zog den Kopf zwischen die Schultern. »Ein zerhackter Mensch? Um mich schwach zu sehen, muß schon mehr geschehen. Viel mehr! Das sollten Sie sich endlich merken, Dr. Falke …«
3
Das alles lag zwei Jahre zurück.
Seither hatte sich in Diwata vieles geändert, ganz so, wie es Belisa García nach ihrer Ankunft am Goldberg verkündet hatte.
Das Krankenhaus war nach langen Streitigkeiten mit der Fertighausfirma und immer wieder verzögerten Lieferterminen endlich fertiggestellt worden. Es
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