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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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werden musste. Ich bewundere sie und habe großen Respekt vor der Gelassenheit, mit der sie unser Leben zusammenhielt, und auch davor, dass sie niemals wütend oder frustriert war, wenn etwas nicht klappte. Wie schwer muss es in diesen ersten Jahren gewesen sein, das ständige Stehlen ohne zu klagen über sich ergehen zu lassen!
    Während des Geschehens stand Christian neben mir und sagte: »Ein Glück, dass du den Eimer nicht kaputtgemacht hast, du wärst in viel mehr Trouble gewesen.« Ich nickte und war froh darüber, dass ich zufällig einmal nicht der Übeltäter war.
     
    Als wir das nächste Mal nach Danau Bira mussten, baute Papa vorher eine geheime Kammer ins Haus ein, um dort unsere Sachen zu verstecken. Er hoffte, dass die Fayu diesen Raum, den er mit Brettern zunagelte, um ihn wie eine normale Wand aussehen zu lassen, nicht finden würden.
    Darin hatten wir alles in großen blauen Plastiktonnen verstaut, um es vor den Tieren zu schützen.
    Doch als wir wiederkamen, war die Wand aufgebrochen. Mama und Papa waren so entmutigt, wussten einfach nicht mehr weiter. Wir saßen am Holztisch, und keiner sagte ein Wort. All unsere Bettwäsche, alle Kleidung, Küchenbesteck, Töpfe, Handtücher, Seife, einfach alles war weg. Wir hatten nur noch das, was wir im Gepäck mit uns führten.
    Plötzlich klopfte es leise an unsere Tür. Papa öffnete, und Nakire stand vor ihm. »Psst, Klausu, komm mit«, raunte er.
    Wir folgten ihm alle nach draußen. Dort standen mehrere Fayu vom Iyareki-Stamm. Als sie uns sahen, verschwanden sie mit Nakire im Urwald, doch wir sollten warten. Gespannt standen wir vor unserem Haus und harrten der Dinge. Da hörten wir ein Rascheln, und vor unseren erstaunten Augen brach Nakire mit den Männern durchs Gebüsch, jeder mit einer unserer blauen Tonnen vor sich, all den Sachen, die wir verloren geglaubt hatten. Papa konnte es kaum fassen.
    Nakire erklärte ihm stolz, dass die anderen Fayu-Stämme die Tonnen klauen wollten, doch er sei ihnen zuvorgekommen und habe alles im Urwald versteckt. Wir waren so glücklich. Dies war das erste Mal, dass die Fayu etwas taten, das nicht ihrer Denkweise entsprach. Für uns war es ein kleines Wunder.
     
    Nach und nach wurde immer weniger bei uns eingebrochen. Dann hörte es eines Tages ganz auf. Und dann, wir waren gerade einmal wieder aus Danau Bira zurückgekommen, hörten wir draußen Stimmengewirr. Wir sahen nach, was los war, und da kamen sie, die Männer der vier Fayu-Stämme: die Iyarike, die Sefoidi, die Tigre und der Tearü-Stamm.
    Sie stellten sich fast bis zum Ufer in einer Reihe auf und kamen dann einzeln zu uns. Zu unserer größten Überraschung legten sie auf unsere Veranda alles, was sie uns jemals gestohlen hatten: Töpfe, Kleidung, Messer, Löffel, Teller, Boxen, Fischhaken, Bänder und so weiter. Und ganz vorne stand Häuptling Baou.
    Obwohl das meiste in einem so schlechten Zustand war, dass wir es nicht mehr gebrauchen konnten, freuten wir uns riesig. Dieser Moment war ein besonderer für uns. Angeführt von Häuptling Baou hatten alle Fayu gemeinsam als Volk die Entscheidung getroffen, nicht mehr vom weißen Mann und seiner Familie zu stehlen.

Judith wird erwachsen
    N icht immer war die ganze Familie vereint.
    Eines Montagmorgens kam der Hubschrauber, um Mama abzuholen; sie wollte nach Jayapura, um dringende Einkäufe zu erledigen. Der Reissack war leer, Tee und Kaffee fast aufgebraucht, und die Konserven waren ebenfalls zur Neige gegangen. So verließ uns Mama und versprach, uns etwas ganz Tolles mitzubringen. Wir winkten ihr fröhlich hinterher und träumten schon von den Dingen, die da kommen würden.
    Kurz nach ihrer Abreise wachte ich nachts von einem leisen Geräusch auf. Es war stockdunkel draußen, nur ein schwacher Lichtschimmer kam vom Badezimmer her. Judith lag nicht in ihrem Bett, und durch den Türvorhang sah ich die Gestalt meiner Schwester auf dem Boden knien. Da stimmte etwas nicht. Judith stand nie nachts auf, und schon gar nicht, um auf dem Badfußboden herumzusitzen.
    Leise kroch ich aus meinem Moskitonetz und schlich zum Vorhang. »Judith«, flüsterte ich, »ist alles okay?«
    Ein gedämpftes Schluchzen war die Antwort. Ich fing an, mir wirklich Sorgen zu machen, schlüpfte ins Badezimmer und erschrak beim Anblick meiner Schwester. Sie hatte zwei Kerzen angezündet, ihr Nachthemd lag auf dem Boden und war mit Blutflecken bedeckt. Große Tränen kullerten über ihre Wangen, und sie war dabei, mit einem Handtuch Blut

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