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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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brach ein Aufruhr aus. Die Leute, die loyal zum Pharao standen, wurden aus irgendeinem Grund sehr zornig, und sie griffen die Priester an – sie warfen hauptsächlich mit Ziegeln und großen Steinen, und sie drängelten und schrien. Jeder begann zu rennen und versuchte zu fliehen. Wir schafften es durch das Stadttor zum Fluss, aber Vater ging zurück, um Anen und dem Hohen Priester zu helfen.« Benedict richtete die tränenfeuchten Augen auf seine Mutter. »Das war der Augenblick, als er getroffen wurde – ein Ziegel, ein Stein … Etwas traf ihn am Kopf, und er stürzte zu Boden.«
    »Er war dann bereits tot?«, fragte seine Mutter mit leiser, sanfter Stimme.
    Benedict schüttelte seinen Kopf. »Nein. Er war schwer verletzt, aber am Leben. Wir flohen zu den Booten. Einige der Priester waren ebenfalls verwundet, doch wir waren imstande zu entkommen. Die Ärzte des Hohen Priesters pflegten Vater auf dem Boot, und ich dachte, er würde wieder gesund werden.« Der Junge hielt inne, nahm einen weiteren Schluck vom Apfelmost und leckte sich die Lippen, bevor er fortfuhr. »Aber als wir zum Tempel zurückkehrten, ging es ihm nicht besser. Anen sagte, sie müssten eine Operation vornehmen: Sie mussten seinen Kopf öffnen, um Knochenstücke herauszuholen und die Wunde zu reinigen.«
    Xian-Li nickte. »Ich weiß, sie können so etwas machen. Sie sind sehr kunstfertig.«
    »Ich habe ihnen nicht zugeschaut. Doch Vater ist wach gewesen, und ich habe mit ihm gesprochen, bevor sie damit angefangen haben. Er verabschiedete sich und sagte mir, ich solle mich um dich kümmern. Seine letzten Gedanken galten dir, Mutter. Später dann, nachdem es vorüber war, ist Vater ein letztes Mal aufgewacht und hat mich gerufen …« An dieser Stelle stockte Benedict; er war nicht in der Lage fortzufahren.
    »Bitte, Beni«, sagte Xian-Li. »Ich muss alles hören.«
    »Er hat gewollt, dass ich ihn zur Seelenquelle bringe«, antwortete Benedict und legte sein Gesicht in die Hände.
    Einen langen Augenblick schwieg Xian-Li. »Genau das ist es, was dein Vater für mich tat«, erklärte sie schließlich. »Hast du das gewusst? Hat er dir jemals erzählt, dass ich dort in Ägypten an Fieber starb – das war, bevor du geboren wurdest. Hat dein Vater es dir jemals erzählt?«
    Benedict schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Er sagte einmal, er hätte ein Geheimnis, das er mir offenbaren müsste. Ich fragte ihn, was es war, und er erwiderte, es wäre …« Er hielt inne, um sich an den exakten Wortlaut zu erinnern. »Er sagte, dass es viel zu wunderbar wäre, um es zu erzählen.«
    Ein trauriges Lächeln huschte über Xian-Lis Lippen. »Ja, das sagte er.«
    »Ich fragte ihn, was zu wunderbar sein könnte, um es zu erzählen. Aber er antwortete einfach, ich müsste warten, bis ich älter wäre.« Benedict schaute auf seine Mutter. »Was meinte er?«
    »Ich glaube, er sprach von der Seelenquelle – und was dort geschieht.« Rasch warf sie einen Blick zur Türöffnung, wo sich die Diener zusammendrängten und nervös ihre Hände umklammerten. Sie beachtete sie nicht und drängte ihn: »Berichte mir, was geschah, nachdem du mit deinem Vater das letzte Mal gesprochen hattest.«
    »Er sagte, er wolle, dass ich ihn dorthin bringe – zur Seelenquelle –, doch ich wusste nicht, was sie ist und wo sie zu finden ist.« Benedict senkte den Blick auf seine leeren Hände. »Er versuchte, es mir zu zeigen – eines seiner Tattoos, aber …« Seine Stimme stockte erneut. »Inzwischen war es zu spät. Er schloss einfach seine Augen und starb.«
    »Hatte er Schmerzen?«, wollte seine Mutter wissen.
    Benedict schüttelte seinen Kopf. »Ich glaube, er war jenseits aller Schmerzen. Die Priester taten alles für ihn, was sie nur konnten, doch die Verletzung war zu groß.« Er hob seine tieftraurigen Augen und blickte zu seiner Mutter. »Anen ordnete an, seinen Körper einzubalsamieren und ihn zu beerdigen, und aufgrund der Schwierigkeiten habe ich Vater nach jener Nacht nicht wiedergesehen.« Betrübt schüttelte er den Kopf. »Ich würde alles getan haben, worum er mich gebeten hätte – wirklich alles. Das musst du mir glauben.«
    »Das glaube ich dir wirklich, lieber Beni. Ich zweifle nicht daran: Wenn die Ärzte des Tempels ihn nicht zu heilen vermochten, dann gab es nichts mehr, was man noch hätte machen können.«
    »Aber weshalb wollte er zur Seelenquelle gehen? Was ist das überhaupt?«
    »Es ist eine Stätte großer Heilung – und mehr«, erwiderte Xian-Li.

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