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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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sollte eigentlich zu einer ganz anderen, von Erry und mir komponierten Melodie gesungen werden. Textlich geht es in diesem Song im weitesten Sinne ebenfalls um Stadtplanung. Da steht zwar eher das soziale Milieu im Vordergrund, aber wenn »uns Pänz« nicht mehr im Gras »spille«, dann beklagt man auch das fehlende Grün in der Stadt. Der Refrain jedoch kommt sehr versöhnlich daher, wie immer man das interpretieren möchte. Wenn wir den anstimmten, dann haben die Menschen von Anfang an leidenschaftlich mitgesungen: weil sie an ihr eigenes Veedel denken und ihr sentimentales Verhältnis dazu entdecken. Ob sie nun Zollstocker, Höhenhauser oder Kalker sind.
    Man kann gegen das »Veedel« einwenden, dass hier ein falsches Idyll besungen werde. Schließlich gibt es diesen engen Zusammenhalt zwischen den Menschen nicht in der Art, jeder ist sich letztlich selbst der Nächste. Auch Wolfgang Niedecken gehörte früher zu diesen Kritikern: »Das stimmt doch alles gar nicht, was ihr da singt.« Aber irgendwann ist ihm aufgegangen, dass man diesen Text nicht eins zu eins lesen darf, dass es hier nicht um eine Beweinung der Vergangenheit, sondern um eine Utopie geht. Diesem Lied fehlt vielleicht die Gebrauchsanleitung, aber man muss auch weiß Gott nicht jeden an die Hand nehmen. Und letztlich soll ohnehin jeder Mensch die Freiheit haben, ein Lied nach seinem eigenen Gefühl zu verstehen.
    »Es dat vorbei?« heißt es am Ende des Refrains. Und auch für mich sollte im Jahr 1974 manches für immer vorbei sein.

1974 bis 1985

ICH DENK AN EUCH
    Ich bin bis heute froh darüber, dass mein Vater die ersten Erfolge der Bläck Fööss noch mitbekommen hat. Er hat sogar noch ein paarmal mit uns auf der Bühne gestanden. Manchmal schlich er sich durch den Hintereingang in eine Sitzung im Gürzenich oder Sartory. Und dann kündigte der Sitzungspräsident plötzlich an: »He is d’r Rickes vun de Vier Botze, un dä kütt jetz ens op de Bühn.« So stand dann dort tatsächlich mein Vater neben mir, ganz eigenartige Erlebnisse waren das. Ich habe mich immer sehr gefreut in solchen Momenten, auch wenn wir auf der Bühne nie ein Duett gesungen haben. Das fand nur ein Mal statt, nämlich anlässlich seines 70. Geburtstags, den er im Päffgen auf der Friesenstraße feierte. Da liefen Erry, Peter und ich auf und haben ihm ein Ständchen gesungen. Und bei der »Kayjass« war er dann natürlich auch dabei.
    Im Nachhinein sage ich mir: Wir haben viel zu wenig geredet. Wie das leider häufig so ist zwischen Vätern und Söhnen. Es gibt so vieles, was ich gern mit ihm besprochen hätte. In seinen letzten Jahren habe ich ihn manchmal besucht, wenn er im Päffgen saß. Das war eine Art Stammkneipe für ihn. Wenn es darum ging, ein bisschen Geld zu verdienen, ist er immer sehr findig geblieben. Ins Päffgen nahm er zum Beispiel gern ein paar historische Orden mit, davon hatte er schließlich mehr als genug. Und die holte er bei passender Gelegenheit aus der Tasche.
    »Rickes, wat wor dat dann?«
    »Och, dat wor nur ene ahle Orde vun fröher.«
    »Jetz zeich doch ens, oh, dä es ävver schön!«
    »Na komm, jevv mir ene Zehner, dann jehöte dir.«
    Seine letzte Wohnung war ein kleines Apartment in Riehl. Im Gegensatz zu meiner Mutter, die zum Ende hin sehr krank wurde, blieb mein Vater bis zu seinem Tod agil. Der war immer auf Achse, während meine Mutter kaum noch aus dem Haus wollte. Sie hatte es wirklich nicht einfach gehabt, ihr ganzes Leben lang. Schließlich war sie in ihrer besten Zeit fast jedes Jahr schwanger gewesen.
    1974 wohnte ich noch in Porz auf dem Akazienweg. Meine Mutter lag zuletzt in Hürth-Hermülheim im Krankenhaus, weil meine Schwestern Henny und Marga dort in der Nähe wohnten. Ich glaube, am Ende wollte und konnte sie einfach nicht mehr. An die Fahrt an jenem 27. März habe ich keine Erinnerung mehr. Als ich ankam, war meine Mutter schon tot, und die ganze Familie war da. Es war sehr still.
    Meinen Vater, der nur vier Monate später starb, habe ich nicht mehr tot gesehen. Er war am Morgen des 25. Juli im Severinsklösterchen gestorben, während ich irgendwo für die GEW unterwegs war. Und als ich mittags zurück ins Büro kam, überbrachte mir Erry Stoklosa die Nachricht. Offenbar hatte jemand in Porz angerufen. Ich weiß dann nur noch, wie ich über die Severinsbrücke fuhr und es mich plötzlich voll erwischte. Ich bekam einen unbezwingbaren Weinkrampf.
    Ich weiß ganz sicher, dass meine Eltern sich geliebt haben. Nicht ihr

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