Du bes Kölle: Autobiografie
natürlich auf Ostermanns Hymne »Heimweh nach Köln« an, deren Aussage wir mit der Bereitschaft, sogar auf nackten Füßen zu laufen, sozusagen noch steigerten. Deshalb haben wir dann auch den Schluss des Liedes umgetextet: »... op bläcke Fööss noh Kölle jon«. Im Untertitel der LP heißt es dann noch: »Bilder und Menschen unserer Stadt«, das war Hartmuts Idee.
Sieht man sich dieses Album heute an, wird man feststellen, dass da bereits unglaublich viele Hits versammelt sind. Unter anderem finden sich dort: »Mer losse d’r Dom en Kölle«, »Drink doch eine met«, »Leev Linda Lou«, »De Mama kritt schon widder e Kind« und »En unserem Veedel«. Damit hatten wir eine ziemlich hohe Latte gelegt, für uns und auch für jede andere Band, die uns nacheifern wollte. Mit ein wenig Vermessenheit könnte man sagen: Wir haben mit unserem Sgt.-Pepper-Album angefangen. So etwas Ähnliches ist mir später mit L.S.E. wieder passiert, denn auch »Für et Hätz un jäjen d’r Kopp« enthält für ein erstes Album jede Menge Knaller.
»Mer losse d’r Dom en Kölle« ist als Redewendung zu verstehen. Gemeint ist natürlich »Mer losse de Kirch im Dorf«. Den Spruch sehe ich nicht zuletzt als Statement über uns selbst: sechs Typen, die mit beiden Beinen, mit nackten Füßen sogar, auf dem Boden stehen – und die Kirche im Dorf lassen. Viele Leute verstehen den Text bis heute nicht, die fragen sich: »Ja, warum sollen wir den Dom denn nicht in Köln lassen?« Aber zum einen gab es tatsächlich mal dieses wahnwitzige Gerücht, dass irgendwelche Japaner den Dom abtragen und bei sich wieder eins zu eins aufbauen wollten. Und zum anderen geht es in dem Lied natürlich auch um Stadtsanierung. Beziehungsweise um städtische Fehlplanung:
Die Ihrestroß, die hieß vielleich Sixth Avenue,
oder die Nord-Süd-Fahrt Brennerpass.
D’r Mont Klamott, dä heiß op eimol Zuckerhot,
do köm dat Panorama schwer en Brass.
Man muss bedenken, dieser Song stammt aus den frühen 70er-Jahren, aus einer Zeit also, in der in Köln manch schlimme Bausünde begangen wurde. Damals sind Chorweiler und die anderen Trabantenstädte aus dem Boden gestampft worden – Wohngegenden, die den Menschen eigentlich nicht guttun.
Wir alle wissen um die spezifischen Schwierigkeiten Kölns. Diese Stadt war immer zu klein, immer zu eng bebaut, hier geht es um zwei Jahrtausende Menschen und Baukultur. Die Nord-Süd-Fahrt ist das beste Beispiel für das Kölner Raumdilemma. Auf der einen Seite fährt man darüber und ist dankbar dafür, so flüssig voranzukommen. Auf der anderen hat sie die Stadt brutal in zwei Hälften gerissen, da schmerzt schon allein der Anblick. Aber soll man die Nord-Süd-Fahrt deswegen boykottieren? Und sich stattdessen in den Stau auf den Ringen stellen? Das wäre albern. Solche Widersprüche finde ich schrecklich, aber man muss sie wohl aushalten. Da wird man selbst zum Teufelchen: drüvver schwade, de Schnüss oprieße, aber trotzdem selbst fleißig mitmischen.
Es ist ein seltsamer Zufall, dass auch die gleichermaßen umstrittene neue U-Bahn in Nord-Süd-Richtung verläuft und die Stadt auf tragische Weise an einer Stelle eingerissen hat. Aber immerhin geht es da um eine Bahnverbindung, um öffentlichen Personennahverkehr, wie es im Amtsdeutsch so schön heißt. Manchmal frage ich mich, ob man die Stadtplaner, die Straßenplaner überhaupt noch braucht. Vielleicht sollte man unsere schnuckelige kleine Stadt besser komplett umpolen. Und sie von Nord nach Süd autofrei machen. Die Stadt ist mit ihren Halbkreisen eigentlich perfekt angelegt. Überall jenseits der Ringe oder auch der Inneren Kanalstraße könnte man große Park-and-Ride-Plätze anlegen. Wäre doch klasse, mal zu Fuß quer über den leeren Barbarossaplatz zu gehen. Und dass Busse und Bahnen dann für jedermann umsonst wären, versteht sich von selbst.
EIN SECHSKÖPFIGES KOLLEKTIV
Die Fööss waren in ihrer besten Zeit ein sechsköpfiges Kollektiv, im wahrsten Sinne des Wortes. Und wenn es darum ging, neue Songs zu entwickeln, dann mussten die irgendwann durch den bandeigenen TÜV. Dabei blieb dann eben auch so manches auf der Strecke. Lieder wurden aussortiert oder auf Halde gelegt, weil wir uns sagten: Nee, das ist noch nicht rund, lass uns das lieber zu einem anderen Zeitpunkt nochmal ausprobieren. Manchmal war es auch so, dass Text und Melodie nicht zusammenpassen wollten. Ein berühmtes Beispiel dafür findet sich direkt auf der ersten LP: »En unserem Veedel«
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