Du bes Kölle: Autobiografie
man beim Vortrag nicht selbst zum Edelweißpiraten. Aber man fühlt sich doch ein in einen Barthel Schink und wie sie alle hießen, die damals in der Hüttenstraße aufgeknüpft wurden. Für diese Erfahrung bin ich Rolly Brings dankbar.
Jean »Schang« Jülich, der erst 2011 gestorben ist, kannte ich allerdings schon vorher. Der war bereits zu Zeiten meines Vaters aktiv gewesen. Edelweißpirat und Karnevalist – eine großartige Mischung. Der Schang wirkte in Köln immer wie eine Ein-Mann-Armee: Karneval ja, aber mit Ecken und Kanten. Manchmal erinnerte er mich an die Outlaws der amerikanischen Countrymusik à la Willie Nelson und Co.
In engeren Kontakt kamen wir durch jene Karnevalssitzungen, die er eine Zeit lang im obersten Raum der Severinstorburg leitete. Soweit ich weiß, waren das immer reine Herrensitzungen. Und die Bühne bestand aus einem zusammengezimmerten Verhau, der durch keine Bauprüfung gekommen wäre. Trotzdem standen wir auf diesem winzigen Teil mit sechs Leuten. Auch im Blomekörvje, Schangs Kneipe in der Josefstraße, sind wir in den 70ern regelmäßig aufgetreten. Wenn wir da trotz Zugabe-Rufen von der Bühne wollten, hat er seinen Schäferhund vor uns aufgebaut. So lief das mit dem, der Mann war ein echtes Unikat.
Anlässlich einer Edelweißpiraten-Gedenkfeier im Jahr 2008 habe ich mit Jürgen Fritz noch mal an der Bartholomäus-Schink-Straße gespielt, dort, wo am 10. November 1944 13 Edelweißpiraten öffentlich hingerichtet wurden. »Du bes Kölle« und »Veedel« habe ich gesungen. Jean Jülich war dabei und mit Gertrud Koch und Fritz Theilen auch die beiden anderen letzten lebenden Freunde von Barthel Schink.
VON ENGEL ZU ENGELS IST ES NUR EIN »S«
Als 1966 die Proteste gegen die Preiserhöhungen bei der KVB begannen, war ich mit dabei. Nicht an vorderster Front, aber auch ich bin zum Rudolfplatz marschiert, um zu demonstrieren. Da stand man dann den Wasserwerfern der Polizei gegenüber und ließ sich nassspritzen. Aber das musste sein, schließlich war ich treuer KVB-Kunde. Ich bin ewig und drei Tage von Sülz zum Star-Club oder sonst wohin gefahren.
Auch die Fööss engagierten sich gerne, zum Beispiel in Form zahlreicher Benefizgigs. Je bekannter wir wurden, desto mehr Anfragen kamen. Wir wussten, dass unser Name zieht, und ich fand, wenn man Lieder wie das »Veedel« oder »Mer losse d’r Dom en Kölle« schreibt, dann muss man in dieser Stadt auch auf die Straße gehen.
Wobei ich sofort dazusage: Benefizauftritte sind wichtig, aber Spaß machen sie nicht. Oft hatte ich bei solchen Gelegenheiten Probleme mit meiner Position am Mikro. Nur weil ich der Sänger war, musste ich schließlich nicht zwangsläufig derjenige sein, der all diese Themen anmoderiert. Du willst da vorn ja keinen Unsinn erzählen, aber ich konnte mich auch nicht in jede Sache so einarbeiten, dass ich wirklich glaubhaft und informiert rüberkam. Hier geht es um ein paar Bäume, dort um ein Haus, das abgerissen werden soll – und ich war überall das Sprachrohr, das sich vor Ort schnell ein paar Inputs besorgen musste, um wenigstens halbwegs zu checken, worum es dort ging. Auch mit der Technik hapert es gern, wenn die »gute Sache« im Vordergrund steht. Das Mikro ist Mist, der Sound ist Mist, du hörst dich nicht beim Singen – so war das normalerweise. Alles für den guten Zweck, ist klar. Aber wenn daneben die musikalische Qualität auf der Strecke bleibt, wird es unangenehm. Unter solchen Umständen leide ich regelrecht.
Trotzdem waren die Bläck Fööss immer präsent. Wir haben auch für die Friedensbewegung gespielt, auf dem Neumarkt im Rahmen des Ostermarsches. Das war in den 80ern noch eine große Sache, die heutzutage beinahe völlig eingeschlafen ist. Auf unserem »Morje, Morje«-Album von 1982 findet sich mit »Top ävver beklopp« ein typisches Stück dieser Zeit, in dem wir uns unter anderem auf satirische Art mit Waffenhändlern auseinandersetzen. Dieses Lied hat dann später sogar Klaus der Geiger auf der Schildergasse gesungen:
Dä Mann sitz en d’r Chefetag’,
hä es sehr jeflech.
Für singe Ömsatz es im einfach
jedes Meddel räch.
Hä sät, ich dun doch keinem jet,
noch nit ens ener Flech,
dä Mann verkäuf Rakete,
dä Mann verdeent am Krech.
Dä Mann, dä kennt kein Hemmunge,
hät si Jewesseen d’r Täsch.
Sehr früh kamen wir auch mit der BISA in Kontakt, der Bürgerinitiative Südliche Altstadt. Hartmut hatte einen Draht zu denen, und ohnehin galten wir gewissermaßen als
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