Du bes Kölle: Autobiografie
ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Da gab es so unheimlich viel Platz! Da hing noch ein geräumiger Anbau dran, und ganz oben schloss sich eine weite Dachterrasse an. Als ich dort das erste Mal stand, war ich eigentlich schon völlig überzeugt. Man blickt genau auf den alten Kreuzgang von St. Severin hinab. Ein Herrgottswinkel. Dazu dieses In-die-Ecke-Gedrängte, dieser große Baum davor ... Ich sage noch heute: Das Haus hat uns gefunden, nicht umgekehrt. Ein schöner Ort mit einer guten Aura, so empfinde ich das. Je nach Windrichtung hört man dort oben abends nichts anderes als die Züge, die über die Südbrücke fahren. Das ist eine ganz besondere Ruhe für mich – herrlich!
Ich kaufe grundsätzlich nichts, was mir nicht gefällt. Ob irgendeine Investition clever ist oder nicht, interessiert mich kein bisschen. Bei mir gibt es in der Hinsicht nur entweder–oder. Dieses Haus wollte ich haben, unbedingt. Aber bevor es so weit kam, war noch ein großes Hindernis aus dem Weg zu räumen. Es gab nämlich einen Mitbewerber, und der hieß: Wolfgang Niedecken.
Wolfgang hatte durch seine Mutter sogar früher als ich vom geplanten Verkauf erfahren und insofern gewissermaßen ältere Rechte als ich. Jedenfalls hätte ich mich da nie vorgedrängelt. Irgendwann waren wir zu dem Entschluss gekommen, das Haus zusammen zu kaufen. Wolfgang war damals in keiner einfachen Situation, der hatte auch eine Trennung hinter sich. Für den ging es darum, die Frau und die Kinder möglichst in der Nähe unterzubringen, und da war eine Immobilie im Severinskloster natürlich ideal. Andererseits hatte er auch mitbekommen, wie mir bei der Besichtigung die Augen übergegangen waren vor Begeisterung. Und als es dann ernst wurde mit dem Kauf, wendete sich das Blatt. Ich weiß noch genau, wir saßen bei uns an der Severinstraße im Wohnzimmer und tranken Tee, als Wolfgang plötzlich meinte: »Weißt du was, Tommy, du kaufst das Haus besser allein. Ich habe dein Gesicht gesehen gerade. Das ist einfach genau das Richtige für dich.« Und so ist es 1990 dann auch gekommen. Den Vertrag mit dem Vorbesitzer haben wir unten im Häschen geschlossen. Bei einem Kölsch und per Handschlag, wie man das im Veedel so macht.
Mittlerweile haben wir manches verändert, um dieses Haus für unsere Zwecke herzurichten. Es gibt jedoch auch noch ein paar Ecken, die ich ganz genau so belassen habe, wie ich sie damals vorfand. Der Linden, unser Vorbesitzer, hat während des Zweiten Weltkriegs im Keller eine Säule aus massiven Ziegelsteinen gebaut. In die Decke zog er Eisenträger ein, weil er sich sagte: Wenn die Flieger kommen, muss das hier halten, sonst sind wir alle tot.
Und siehe da, der Raum hat seiner Familie später das Leben gerettet. Rundherum war alles eingestürzt, aber sein Keller war heil geblieben. Um ins Freie zu gelangen, mussten sich die Lindens seitlich ein Loch graben. Dadurch kamen sie dann im einstigen Altenstift raus, der ebenfalls total zerbombt war. Dieses Kellerloch, das die Lindens damals in die Freiheit buddelten, ist später wieder verschlossen worden. Aber der Haufen Spieß, hochdeutsch »Mörtel«, den man dafür angerührt hatte, der liegt immer noch dort unten. Den habe ich nie entfernen lassen. Weil er für mich zur Geschichte dieses alten Hauses gehört.
1990 bis 1994
ZWEIERLEI FÖÖSS
Ganz klar: Der Titel unseres 86er-Albums spiegelt das Lagerdenken innerhalb der Band zu diesem Zeitpunkt. »Zweierlei Fööss« hieß die LP, ein Name, der auf mein Konto geht. Auch das Cover habe ich gegen die Meinung der anderen Fraktion durchgeboxt. Zwei bunte Fußabdrücke sieht man darauf – meine Füße. Inzwischen gibt es, so hört man, mindestens dreierlei Fööss. Aber damals war es auch schon schlimm genug.
Als vier Jahre später das 20-jährige Jubiläum der Band anstand, hätte das eigentlich ein Anlass für eine große Freudenfeier sein müssen. Dafür jedoch waren wir bereits zu sehr zerstritten. Trotzdem entschieden wir uns, eine Geburtstags-LP herauszubringen. Und während eine andere Band vielleicht darauf verfallen wäre, lediglich die alten Aufnahmen zu einer Best-of zusammenzustellen, marschierten wir ins Can-Studio in Weilerswist. Und da spielten wir all unsere größten Hits neu ein, natürlich im Doppelalbum-Format.
Auch drum herum wurden keine halben Sachen gemacht. Dass wir hier ordentlich auffuhren, erkennt man bereits am Produzenten, den ich für unser Projekt gewonnen hatte: Klaus Voormann, den berühmten
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