Du bes Kölle: Autobiografie
MAUER
Im November 1989 fiel die Mauer zwischen der BRD und der DDR. Und auch ich bin zu dieser Zeit an eine gefallene Mauer gezogen: an die Kölner Stadtmauer nämlich, direkt gegenüber vom Severinstor.
Zu verdanken hatte ich das letztlich Kathrin Löring, der damaligen Frau von Jean »Schang« Löring, dem alten Fortuna-Boss. Kathrin hatte gehört, dass ich in der Südstadt nach einer neuen Bleibe suche, und erinnerte sich an ein Haus auf der Severinstraße, das in Löring’schem Besitz war. Die Nummer 3 war das, neben Niedeckens. Der Vater Nie-decken hatte unten einen Obst- und Gemüseladen besessen, während bei uns im Parterre eine Kneipe residierte, das Häschen. Das war noch ein richtig altes kölsches Ding, mit Frikadellen und kleinen Essen.
Wenn ich heutzutage in der Südstadt essen gehe, dann gern ins Palermo. Dort schmeckt es mir, und dort fühle ich mich zu Hause. Chef Salvatore steht mit seiner Frau Salvina in der Küche, während die Söhne Toni und Mauro die Gäste im Restaurant bedienen. Der Wirt damals im Häschen hieß Dieter Schumacher, seine Christel kam aus Österreich. Eine unglaublich nette Frau war das und außerdem eine wunderbare Köchin. Auch meinen Geburtstag habe ich manchmal unten bei ihnen in der Kneipe gefeiert.
Bei dem Gebäude handelt es sich um ein typisches Dreifenster-haus, ziemlich schmal ist das also. Deshalb ging unsere Wohnung auch über zwei Etagen. Wie der Kölsche sagt: en Majonettewohnung, was ganz Besonderes! Wirklich toll fand ich, dass wir Zugang zum Flachdach hatten. Das wurde für mich als alten Schornsteinfeger ein besonderer Ort. Dort habe ich oft gesessen, im Bademantel, und den Ausblick genossen. Man thronte über den Dächern der Südstadt, links die Zinnen der Severinstorburg, rechts das große, lange Dach vom Haus Balchem. Und nach Osten hin die Aufbauten der Severinsbrücke. Irgendwann lag mal ein Brief bei uns im Kasten, anonym, versteht sich. Darin wurde ich gefragt, ob das da oben jetzt die neue Art sei, mich zu präsentieren. Was ich unter dem Bademantel anhatte, und ob überhaupt etwas, weiß ich nicht mehr genau. Aber ich hatte das Gefühl: »Tommy, jetz bis de em Vringsveedel anjekumme.«
Es ist schon etwas Besonderes, wenn man in einer Straße wie der Severinsstraße wohnt. Da guckst du aus dem Fenster und fühlst dich sofort mittendrin. Und das gilt natürlich erst recht ab dem ersten Schritt vor die Haustür. Für mich war immer klar gewesen, dass ich irgendwann in der Südstadt landen würde. Ich hätte mir nach der Trennung von Irmgard auch eine Wohnung in Sülz suchen können. Da komme ich ja immerhin her. Aber ich wollte unbedingt ins Severinsviertel. Hier ist man dem Rhein näher, aber ich denke, das war gar nicht mal der Hauptgrund. Vielleicht hängt es noch viel mehr mit dem Menschenschlag zusammen. Der scheint mir hier noch direkter und geerdeter zu sein als anderswo.
Wenn ich vor die Tür gehe, dann bin ich immer im Dienst, mich kennen halt noch viele Menschen. Aber im Severinsviertel malt man niemandem einen Heiligenschein, da wird frei Schnauze geredet. Ich glaube, dass Köln hier ganz bei sich selbst ist. Und an die Südstadt muss ich auch immer denken, wenn ich »En unserem Veedel« singe. Wenn man den Song überhaupt lokalisieren kann, dann nur hier im Vringsveedel.
WILLS DE E HUUS KAUFE?
Dass neben uns Niedeckens wohnten, sollte sich bald als großes Glück herausstellen. Am Severinskirchplatz gab es einen Frisör. Auch ich habe mir dort die Haare schneiden lassen, nicht zuletzt, weil mir der schöne alte Laden gefiel. Bernd Freiermuth war allerdings an sich ein typischer Damencoiffeur, um nicht zu sagen: ein Frauenversteher. Marlene ging dort hin, und eine seiner Kundinnen war auch die alte Frau Niedecken. Die Mamm vom Wolfgang hatte Marlene von diesem Haus am Severinskloster erzählt, das zum Verkauf stehe. Und als Marlene das wiederum an mich weitergab, bin ich direkt dahin. Das lief wie im Film: Ich stehe unten, und im schräg gegenüberliegenden Haus hängt im dritten Stock einer im Fenster, ganz klassisch mit Feinrippunterhemd und einem Kissen unter den Ellbogen. Und kaum sieht der mich, ruft er auch schon runter: »Wat es, Tommy, wills de e Huus kaufe?«
Von vorn wirkt das Gebäude sehr bescheiden, das ist quasi ein Zweifensterhaus. Wäre ja auch blöd, wenn man als Tommy Engel einen protzigen Palast besäße. Aber ich muss zugleich sagen: Dieses Haus weitet sich nach hinten raus. Bei unserer ersten Besichtigung kam
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