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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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durchforstet«, fuhr Corvu mit etwas Sahne und Zucker an der Nasenspitze fort. »Zum Glück sind nur noch wenige Modelle im Verkehr. In ganz Rom sind zweiundfünfzig angemeldet, zwölf davon auf Namen von Einwanderern aus Nicht- EU -Ländern. Das Auto ist alt, aber schnell, das mögen diese Leute, wissen Sie.«
    »Hast du die Personalien der Halter?«
    »Ja, obwohl sie vielleicht nicht ganz aktuell sind. Könnte auch sein, dass der eine oder andere Besitzerwechsel nie gemeldet wurde. Bei so alten Kisten neigen die Leute dazu, es mit dem Papierkram nicht so genau zu nehmen.«
    »Schon gut, lass alle Besitzer telefonisch überprüfen. Die zwölf Ausländer knöpfst du dir mit Piccolo, Coppola und Mastroianni persönlich vor. Macht das zu zweit, nicht allein. Vor dem Feuerwerk müsstet ihr das noch schaffen.«
    Als er allein war, schaltete Balistreri das Radio ein und gönnte sich seine erste Zigarette. Weil er auf Angelo Dioguardis Silvesterparty am Abend etwas trinken wollte, nahm er vorsichtshalber noch eine Magentablette.
    In der E-Mail mit dem Pressespiegel stolperte er über einen Artikel von Linda Nardi. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete: »Samantha Rossi – ein abgeschlossener Fall?« Das Fragezeichen war bunt abgesetzt, und unter dem Aufmacher sah man das Foto, das den Italienern seit Monaten vertraut war. Ein strahlend lächelndes Mädchen vor einem Segelboot.
    Widerwillig begann er den Artikel zu lesen. Keine direkte Anspielung auf die Einritzung oder auf den vierten Täter. Die Krux lag in der Frage, die am Ende des Artikels gestellt wurde: »Handelt es sich hier um die wilde Barbarei eines Täters, der inzwischen jede Kontrolle über sich verloren hat, oder vielmehr um die eiskalte Grausamkeit eines berechnenden Täters?«
    Das traf ihn völlig unvorbereitet, was ihm nicht oft passierte, bei dieser Frau aber immer.
    Barbarei oder Berechnung? Linda Nardis Frage erfüllte ihn wieder mit dieser eigenartigen Unruhe, als würde sich im verborgensten Winkel seiner Seele irgendetwas festbeißen.
    Piccolo erschien pünktlich um halb acht. Balistreri nahm eine gewisse Überspanntheit an ihr wahr, was ihm überhaupt nicht gefiel. Er hatte gehofft, dass sie sich über Nacht beruhigen würde, doch dem war nicht so. Zu ihrer Wut gesellte sich nun auch noch Trotz. Irgendetwas Persönliches war da im Spiel, und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man in dieser Seelenlage viel Unheil anrichten konnte.
    »Wie geht es Rudi?«, fragte er.
    Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Er schläft auf meinem Sofa.«
    Er rang nach den richtigen Worten. »Piccolo, ich möchte mich ja nicht einmischen, aber Rudi könnte … also vielleicht …«
    »Er hat letzte Woche einen Test gemacht, er ist okay. Und vielleicht beruhigt es Sie ja, wenn ich Ihnen sage, dass wir keinen Sex miteinander haben«, erklärte sie und sah ihm fest in die Augen.
    Balistreri wusste nicht, was er sagen sollte. Das Klingeln seines Handys rettete ihn.
    »Alberto, du bist auch schon auf den Beinen? Musst du arbeiten?«
    »Nein, wir fliegen heute Nachmittag alle zusammen auf die Malediven. Ich wollte dir nur einen guten Rutsch wünschen.«
    »Gehen die Jungs auch mit tauchen?«
    »Ja, zum ersten Mal dieses Jahr. Hast du schon die Zeitung gelesen?«
    Du machst dir also wieder Sorgen …
    »Hab ich, Alberto. Ich hatte gestern ein Treffen mit Linda Nardi. War mir schon fast klar, dass sie etwas schreiben würde.«
    »Linda Nardi hält deine Zweifel für berechtigt.«
    »Alberto, nach der Verhaftung der drei Roma waren all meine Zweifel beseitigt. Die Zweifel hatte ich, bevor wir sie fanden. Ich habe mich eben getäuscht.«
    Sie wussten beide, dass er nicht glaubte, was er da sagte.
    »Und warum nimmst du dann Beruhigungsmittel? Samantha Rossi war sofort tot, ob du dich nun getäuscht hast oder nicht. Und trotzdem redest du dir ein, du seist für ihren Tod verantwortlich.«
    »Du bist gläubig, Alberto. Du müsstest das besser verstehen als ich.«
    Diese unbegründete Stichelei entsprang der puren Verzweiflung, doch sein Bruder ließ sich nichts anmerken.
    »Gegen Schuldgefühle gibt es keine Medizin, Mike, da hilft nur Reue. Als Gläubiger kann man beichten und vielleicht Buße tun.«
    »Das habe ich jahrelang versucht, das reicht mir nicht.«
    »Mike, manche Wunden heilt nicht mal die Wahrheit. Nicht auf dieser Erde.«
    Zur Mittagszeit rief Balistreri Angelo auf dem Handy an. Sie wollten das Jahr in seiner kleinen Dachwohnung auf dem Gianicolo verabschieden.

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