Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
Vom Netzwerk:
Und Schuldgefühle sind kein Wesenszug. In manchen Situationen sind sie einfach der einzige Weg zur Wahrheit.«
    Diese Art von Gespräch wollte er nicht führen. Erst recht nicht mit einer Frau, die seine Gedanken zu lesen schien.
    »Dottoressa Nardi, Samantha Rossi ist die Einzige, der in diesem Fall unrecht getan wurde. Und die Täter sitzen im Gefängnis, daran kann es keinen Zweifel geben.«
    »Aber vielleicht sitzen noch nicht alle Täter im Gefängnis.«
    »Die Sache ist abgeschlossen, Ende.« Er selbst hörte die Unsicherheit, die in seiner Stimme mitschwang.
    »Und der vierte Mann?«, fragte sie.
    Lass dich nicht in dieses Spiel hineinziehen, Balistreri. Diese Frau birgt etwas in sich, das du nicht verstehst. Etwas, das dir sehr wehtun könnte.
    »Ich bestelle die Rechnung«, sagte Balistreri kühl.
    Sie schien einen Moment zu zögern, dann sagte sie leise: »Was, wenn er noch ein Mädchen einritzt?«
    Weder Provokation noch Vorwurf lagen in ihrer Stimme, nur Sorge. Es schien ihr sogar unangenehm zu sein, ihn mit dieser Frage in Verlegenheit bringen zu müssen.
    Balistreri geriet sichtlich ins Schleudern. Er erschrak selbst, als er seine Stimme reden hörte, ohne dass er vorher über seine Worte nachgedacht hätte.
    »Ich werde denjenigen, der diese Information an Sie weitergegeben hat, ausfindig machen. Und glauben Sie mir, ich werde alles daran setzen, ihn zu zerstören.«
    »Das wünsche ich Ihnen, Dottor Balistreri.« Keine Ironie, keine Arroganz.
    Als wäre es ein Versprechen und keine Drohung.
    Linda Nardi stand auf, legte Geld für die Rechnung auf den Tisch und ging.
    Eine objektive Risiko-Nutzen-Analyse hätte sie davon abbringen müssen, aber Giulia Piccolo war nicht Graziano Corvu. Sie hatten nichts in der Hand, um vor Mirceas und Gregs Entlassung einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen.
    Rudi hielt nicht viel von der Vorstellung mitzukommen. Aus verschiedenen Gründen brauchte sie ihn aber. Erstens wohnte er dort, und wenn sie erwischt würden, wäre sie einfach nur seine Begleitung. Zweitens kannte er sich aus. Und drittens hatte er Angst vor diesem Ort, verschwieg ihr also irgendetwas.
    Im Auto erlaubte sie ihm zu rauchen. »Keine Angst. Wir springen nur kurz rein, um deine Sachen zu holen. Zehn Minuten, dann sind wir wieder weg.«
    »Aber wenn einer kommt …«
    »Mircea, Greg und die anderen beiden sitzen noch bis morgen im Knast. Ganz ruhig.«
    »Warum forderst du nicht Verstärkung an?«, schlug er vor.
    Plötzlich begriff sie, dass Rudi sich auch um sie sorgte, eine Frau inmitten von Bestien.
    »Ich bin doch bewaffnet.« Sie lächelte aufmunternd und zeigte ihm das Pistolenholster.
    Der Polizist, der auf der Straße Wache schob, berichtete, dass viele Personen das Gebäude betreten und verlassen hätten, nicht aber Marius Hagi. Piccolo hatte sich dafür ausgesprochen, den Beamten auf dem Treppenabsatz zu postieren, aber Balistreri war dagegen gewesen.
    Es war schon spät, nur wenige Fenster waren noch erleuchtet. Sie öffneten die Tür mit Rudis Schlüssel. In der Wohnung herrschte Finsternis, da nicht einmal von außen Licht hereindrang.
    »Haben wir nicht gestern ein paar Rollläden offen gelassen?«, fragte Rudi verängstigt.
    Piccolo nahm die Pistole aus dem Holster und bedeutete Rudi, ruhig vor der Tür zum ersten Zimmer stehen zu bleiben. Mit erhobener Pistole stahl sie sich den Flur entlang. Als sie vor dem dritten Zimmer angekommen war, dem von Ramona und Nadia, schaltete sie blitzartig das Licht ein. Alles war durcheinander, die Matratzen aufgeschlitzt, die Kommode zerlegt. Sogar den Heizkörper hatte man von der Wand gerissen.
    Langsam schlich sie zurück zu Rudis Zimmer. Im Türrahmen blieb sie stehen und drückte schnell auf den Lichtschalter. Hier herrschte noch größeres Chaos. Rudis Sachen lagen überall verstreut. Piccolo spürte seinen schweren, angsterfüllten Atem im Nacken. »Du bleibst hier«, raunte sie ihm zu. Sie schlüpfte ins Zimmer und ging mit erhobener Pistole auf den Schrank dort zu. Als sie die Hand ausstreckte, um die Schranktür zu öffnen, hörte sie Rudi plötzlich aufschreien. Ein dumpfer Schlag, dann fiel eine Tür ins Schloss. Als sie in den Flur stürzte, wäre sie fast über Rudi gestolpert. Nach einem Moment der Unentschlossenheit beugte sie sich zu ihm hinunter. Rudi stöhnte und fasste sich an die blutende Nase.
    Sie sprang zum Fenster und rief dem Polizisten unten zu: »Da will jemand abhauen! Aufhalten!«
    Dann stürzte sie die Treppe runter.

Weitere Kostenlose Bücher