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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Der Beamte sah sie ratlos an. »Hier ist keiner rausgekommen, Dottoressa.«
    Piccolo eilte wieder ins Innere des Gebäudes, gefolgt von dem Polizisten. »Der Keller«, schrie sie und zeigte auf die Treppe nach unten. »Sie bleiben hier und bewachen den Ausgang.«
    »Aber Dottoressa …«, wollte der Beamte einwenden, doch Piccolo war bereits auf dem Weg nach unten.
    Du bist wahnsinnig, mit gezogener Pistole in ein Wohnhaus einzudringen, in dem lauter Familien schlafen. Und wenn der auch eine Pistole hat? Wir sind doch nicht im Wilden Westen!
    Der Keller war das reinste Labyrinth. Sie machte Licht und ging bis nach hinten durch. Neun Stockwerke, vier Wohnungen pro Etage, das machte sechsunddreißig Keller. Sechsunddreißig geschlossene Eisentüren. Und hinter jeder dieser Türen konnte er lauern. Irgendwann ging das Licht aus, und sie konnte den Schalter nicht finden. Sie stand in der Finsternis, spürte, wie ihr der Schweiß den Nacken hinunterlief, und konzentrierte sich auf ihren Atem, eine Übung, die ihr der Karatelehrer beigebracht hatte. Die Wut war stärker als die Angst. Der Bastard versteckte sich hier irgendwo, nur wenige Meter entfernt.
    Sie wartete. Ringsum absolute Stille. Minuten vergingen. Oben an der Treppe rief der Polizist nach ihr. Sie gab keine Antwort. Kurz darauf wehte ein kalter Lufthauch durch den Gang. Piccolo umklammerte mit beiden Händen die Pistole und entsicherte sie. In der Dunkelheit und der totalen Stille vernahm sie das leise Knirschen von Schritten. Sie entfernten sich nicht, sie kamen auf sie zu. Schnell richtete sie die Pistole in die Richtung.
    »Bleib, wo du bist, und nimmt die Hände hoch!«, drohte sie mit brüchiger Stimme.
    »Ich bin es, Dottoressa.« Der Polizist fand den Schalter und knipste das Licht an. Als er sah, dass Piccolo mit der Pistole auf ihn zielte, erstarrte er.
    Einen Augenblick später hättest du auf ihn geschossen. Du bist übergeschnappt. Beruhige dich.
    Sie gingen wieder nach oben. Der Polizist stand noch unter Schock. Piccolo rief Balistreri an. »Störe ich Sie beim Abendessen?«
    »Nein, ich gehe gerade nach Hause. Ich war in Trastevere. Was gibt’s?«
    Sie erzählte ihm alles, auch dass sie fast auf einen Kollegen geschossen hätte. Balistreri hörte zu, ohne sie zu unterbrechen.
    Das Mädchen muss endlich anfangen, erwachsen zu werden.
    »Piccolo, der Fahrer trug eine Schirmmütze und eine Sonnenbrille.« Grausam, aber er musste sie von ihrem sinnlosen Wahn ablenken.
    Sie schwieg. Dann beendete sie zornig die Verbindung und schaltete ihr Handy aus. Rudi kam die Treppe runter und hielt sich die Nase. Gesicht und Pulli waren voller Blut.
    Sie legte ihm den Arm um die Schultern und brachte ihn zum Auto, während der Beamte weiter das Haus im Auge behielt.
    »Ich brauche noch einen Moment, Rudi. Bleib im Auto sitzen. Hier hast du was für deine Nase«, sie reichte ihm ein Päckchen Taschentücher.
    »Seien Sie vorsichtig, Dottoressa. Um mich müssen Sie sich keine Sorgen machen.« Sie streichelte ihm flüchtig über die Wange und stieg aus. Dann holte sie eine Stofftasche aus dem Kofferraum und ging zurück ins Haus.
    »Sie beziehen wieder draußen Stellung«, sagte sie zu dem Polizisten. »Jeder, der das Gebäude verlässt, soll sich ausweisen. Holen Sie sich sofort einen Kollegen zur Verstärkung.«
    Ohne ein weiteres Wort ging sie in den Keller hinunter und packte Brechstange und Eisensäge aus. Sie brauchte ein paar Minuten für jede Tür.
    Als Balistreri eine halbe Stunde später eintraf, leicht außer Puste, war sie ungefähr bei der Hälfte angekommen. Schweiß und Tränen hatten ihr Make-up zerlaufen lassen. Er sah das Elend, ohne es zu kommentieren.
    »Noch zwanzig Türen«, schnaufte Piccolo wütend.
    »Das bringt nichts«, sagte er sanft. »Er ist nicht hier im Keller.«
    »Und wo steckt er dann, verdammt noch mal?«, zischte sie.
    Balistreri deutete mit dem Kopf nach oben. »Nur die Mieter haben einen Keller.«
    Sie starrte ihn deprimiert an, ließ die Säge fallen und sackte auf dem Boden zusammen. Bittere Tränen der Ohnmacht rannen über ihre Wangen. Sechsunddreißig Kellertüren aufzubrechen, war eine Sache. Ohne Durchsuchungsbeschluss sechsunddreißig Wohnungen zu filzen, eine ganz andere.
    »Trotzdem«, sagte Balistreri und hob lächelnd die Säge auf. »Ein Einbruch ist viel glaubwürdiger, wenn wir alle Türen aufbrechen.«
    Er strich ihr über den Kopf, bereute die zärtliche Geste aber gleich wieder.
    Als Vater wärst du ein

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