Du bist das Boese
Schäfer rannen Tränen übers Gesicht.
Balistreri wandte sich an Colajacono. »Lassen Sie ihn«, befahl er.
Colajacono sah nicht einmal in seine Richtung. Sein Gesicht war zu einer sadistischen Fratze verzerrt.
»Ich weiß nicht«, wimmerte der Schäfer. »Ich weiß nicht, wo hingegangen …« Er hockte auf den Knien, sein Gesicht war rot angelaufen.
»Lassen Sie ihn los, oder ich nehme Sie fest«, drohte Balistreri wieder.
Diesmal drehte Colajacono sich um und verspottete ihn unverhohlen.
»Ach wirklich? Wollen Sie solche Bestien, die hier in Italien Leute abmurksen, etwa noch mit Samthandschuhen anfassen?«
Er spuckte auf die Erde und sagte verächtlich: »Ach ja, ganz vergessen. Sie sind ja die Straßenfeger im Paradies.«
Dann trat er dem Schäfer mit aller Kraft gegen das Knie. Der schrie und kippte mit dem Gesicht zuerst in den Matsch, worauf sich Colajacono mit herausfordernder Miene umdrehte.
»Den überlasse ich Ihnen, Balistreri. Wenn Sie meinen, dass Sie mit komplizierten DNA -Verfahren, deren Namen ich nicht einmal aussprechen kann, und anderen politisch korrekten Methoden mehr erreichen, bitte schön …«
Balistreri versuchte, die Fassung zu bewahren. Es gab schon genug Probleme.
Vielleicht weiß ich auch, dass er nicht ganz unrecht hat.
Die Erde war völlig aufgeweicht. Leicht würde es nicht sein, die Untersuchungen im Licht der Scheinwerfer durchzuführen, aber es führte kein Weg daran vorbei. Es war halb zwei, und der Tag würde erst in fünf Stunden anbrechen. Balistreri sagte Corvu, er möge Hunde anfordern und loslegen.
Endlich konnte er sich die erste Zigarette des Jahres anzünden. Die Stadt wurde von den letzten Raketen beleuchtet. Wie schön es jetzt wäre, im Warmen zu sitzen, mit Alberto an einem Pokertisch. Oder irgendwo anders mit Linda Nardi.
Wütend verscheuchte er diesen Gedanken und trat in den kalten Regen hinaus.
Vormittag
Bis zum Morgengrauen hatten sie nichts gefunden. Der Wind hatte sich gelegt, und am ersten Januar zeigte sich der Himmel in undurchdringlichem Graublau. Immerhin würde das Tageslicht ihnen die Arbeit erleichtern. Die Lichtung war fast menschenleer, weil die Beamten über den gesamten Hügel ausgeschwärmt waren. Als die Spurensicherung fertig war, ging Balistreri mit Corvu und dem Schäfer in die Hütte.
Es war eine richtige Bruchbude, und es stank nach Alkohol, Schafen und Exkrementen. Neben einem verschlissenen Sessel standen eine leere und eine halb volle Whiskyflasche. In einer Ecke lag eine versiffte Matratze. Auch einen, sicher gestohlenen, Fernseher gab es, einschließlich Parabolantenne und Programmübersicht fürs Pay TV .
»Und jetzt erzähl mir von dem Mädchen«, forderte Balistreri den Schäfer auf, der immer noch wegen der Schmerzen im Handgelenk stöhnte.
»Ich weiß nichts.«
»In Sardinien würden wir dich den Schweinen zum Fraß vorwerfen«, sagte Corvu.
Balistreri sah ihn verblüfft an.
Hagi würde sie pfählen, Colajacono würde ihnen jeden Knochen einzeln brechen, und sogar der sanfte Corvu würde sie den Schweinen vorwerfen. Was ist hier eigentlich los?
Sie hatten das Auto untersucht. Weitere blonde Haare, eine Schirmmütze, eine Sonnenbrille und dann noch das Diebesgut.
»Hör zu, Vasile«, sagte Balistreri geduldig. »Jemand hat beobachtet, wie dieses Mädchen in dein Auto eingestiegen ist. Du hattest die Kappe und die Sonnenbrille auf, die wir im Wagen gefunden haben.«
»Das gehört mir nicht. Mädchen war hier, hat hier auf mich gewartet.«
»Sie hat hier auf dich gewartet? Wann?«
»Als ich von Freund wiederkam. Der, auf den ihr geschossen habt.«
»Warum warst du bei ihm?«
»Abends bringe ich Schafe zu ihm, er hat Zaun und Hund. Dann trinken und reden wir. Um sieben gehe ich nach Hause.«
»Gehst du immer genau um sieben?«
»Wegen Fernsehen, dann kommt Quiz auf Rai Uno. Gucke ich immer.«
Na fabelhaft … Die Wunder der Integration.
»Um sieben war das Mädchen also schon hier. An welchem Tag war das?«
»24. Dezember. Er sagte, ist Geschenk für mich.«
Balistreri beschloss, dieses »Er« vorläufig zu ignorieren und sich zunächst auf das Geschenk zu konzentrieren.
»Warum Geschenk?«
»Für das Auto«, antwortete Vasile hastig.
Balistreri zeigte in eine Ecke, wo aller möglicher Plunder herumlag, darunter ein Eimer, an dessen Henkel ein Seil geknotet war.
»Gibt es hier einen Brunnen?«
»Ja, in der Nähe von meinem Freund. Aber Brunnen nicht gut, Wasser schmutzig.«
Sie hatten kaum
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