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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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zu hören. Es war schweinekalt, und die Feuchtigkeit kroch ihr in die Knochen, aber wenigstens regnete es nicht mehr. Sie schaute auf das Ziffernblatt ihrer Uhr, der einzige schwache Lichtschein im tiefen Schwarz ringsum: fünf Minuten vor Mitternacht.
    Eine brennende Taschenlampe entfernte sich von Tatòs Auto. Piccolo stieg aus. Es wäre besser gewesen, das Auto zu wenden, aber dafür blieb keine Zeit. Mit der Pistole in der Hand folgte sie dem Lichtkegel der Taschenlampe. Sie rutschte im Schlamm aus, stürzte und schlug sich das Knie auf.
    Schnell rappelte sie sich wieder auf und stolperte weiter. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Ihre Beine waren schwer wie Blei, und ihr Kopf glühte. Aber sie durfte die beiden auf gar keinen Fall verlieren. Ein letzter kurviger Anstieg, dann eine Lichtung, auf der die Giulia parkte, und eine baufällige Hütte. Im Innern das flackernde Licht einer Petroleumlampe und Männerstimmen, vermutlich Ausländer. Die Sprache konnte sie nicht verstehen.
    Die Taschenlampe hatten sie ausgeschaltet, und Piccolo wusste nicht, wo Colajacono und Tatò sich befanden. Sie versteckte sich hinter dem letzten Baum vor der Lichtung, die Pistole immer noch fest umklammert, und versuchte, nur durch die Nase und in die Jacke hinein zu atmen, um sich nicht zu verraten. Die Böller nahmen schlagartig zu, das Feuerwerk explodierte. Sie ging hinter dem Baum in die Hocke.
    Ihr Kopf dröhnte, sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Sie musste sich entscheiden, denn ewig konnte sie nicht da bleiben. Die Pistole fest in beiden Händen, rannte sie hinter die Hütte. Keuchend blieb sie dort stehen, als sich plötzlich von hinten eine Hand vor ihren Mund legte und ein Arm sie wie ein Schraubstock umklammerte. Instinktiv schmiss sie den Kopf in den Nacken und hörte erst den brechenden Knorpel einer Nasenscheidewand und dann einen Fluch, ausgestoßen im reinsten römischen Dialekt. Die Stirn, auf die ihre Pistole zielte, gehörte zu Tatò, der jammernd vor ihr kniete und sich die blutende Nase hielt.
    Im nächsten Moment sprang die Tür der Hütte auf. Sie waren zu zweit, der eine mit einem Messer bewaffnet, der andere mit einem Knüppel. Die Petroleumlampe beleuchtete sie. Piccolo stellte sich hinter Tatò und zielte auf die beiden.
    »Messer und Knüppel weg!«, schrie sie.
    »Wer bist du denn, du Schlampe?«, brüllte der mit dem Knüppel mit einem starken südosteuropäischen Akzent.
    »Polizei«, rief Piccolo und hielt nach Colajacono Ausschau.
    Die beiden Männer wechselten einen vielsagenden Blick und kamen dann langsam auf Piccolo zu.
    »Stehen bleiben, oder ich schieße!«, drohte sie.
    Noch zwanzig Meter. Sie zögerten einen Augenblick, dann gingen sie weiter. Piccolo rechnete nach. Wenn sie noch fünf Meter von ihr entfernt waren, würden sie sich auf sie stürzen. Ihr blieben nur wenige Sekunden.
    Sie gab einen Schuss in die Luft ab, mehr konnte sie nicht verschwenden. Die beiden zögerten wieder.
    »Auf den Boden, sofort!«
    Colajaconos Stimme polterte los wie ein Kanonenschlag.
    Die beiden Männer fuhren zusammen und drehten sich um, und da stand er, dieser Koloss, breitbeinig und mit gezogener Pistole. Ein Blick, und sie rannten los. Piccolo hörte einen Schuss. Der Typ mit dem Knüppel stürzte zu Boden und umklammerte sein Bein. Der andere blieb wie angewurzelt stehen. Kein Zweifel, Colajacono würde auf ihn schießen, wenn er abzuhauen versuchte.
    In diesem Moment begriff Piccolo, dass der gedämpfte Lärm, den sie schon eine ganze Weile wahrnahm, nicht von Böllern herrührte, sondern von den Rotoren eines Hubschraubers, der jetzt genau über ihnen schwebte. Sein Scheinwerfer beleuchtete den Schauplatz, während eine Stimme dem Flüchtenden durch ein Megafon befahl, stehen zu bleiben und die Arme hochzunehmen. Mit Sirenengeheul und quietschenden Reifen eilten die Wagen des Überfallkommandos den Hügel herauf. Weiter unten blendeten noch mehr Scheinwerfer auf.
    Colajacono ging zu Tatò. »Halb so wild, du bekommst eine schöne neue Nase«, tröstete er ihn, und an Piccolo gewandt fügte er hinzu: »Das hast du dieser dämlichen Schlampe zu verdanken.«
    Piccolo sah die Ohrfeige kommen. Unter normalen Umständen hätte sie den Angriff mit einem Arm abgefangen und mit der anderen Hand selbst zugeschlagen, aber sie war wie gelähmt vor Fieber, Anspannung und Kälte. Die Ohrfeige schleuderte sie in den Schlamm.

Sonntag, 1. Januar 2006
    Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar
    Kurz nachdem sie

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