Du bist das Boese
habe, ist Schluss«.
Das einstige Model erkannte man schon daran, wie sie sich bewegte. Wie sie ihm etwas zu trinken reichte. Wie sie ihre langen, in enge Leggings gehüllten Beine auf der großen Couch drapierte. Einen BH trug sie nicht unter der weiten Leinenbluse.
»Sie dürfen ruhig rauchen, wenn Sie möchten, Dottor Balistreri.«
»Rauchen Sie nicht?«
»Nein, dieses Laster habe ich nicht. Aber ich bin sehr tolerant, was die Laster meiner Mitmenschen angeht.«
Na gut. Spielen wir. Wenigstens ein bisschen.
»Ich habe Sie wohl bei der Maniküre gestört.«
Ornella Corona blickte nicht einmal auf ihre Hände. »Eine kleine Marotte von mir«, sagte sie. »Alle zwei Wochen lackiere ich einzelne Fingernägel in einer anderen Farbe, je nachdem, wie mir in der jeweiligen Phase zumute ist.«
Balistreri nahm den starken Geruch des lilafarbenen Nagellacks auf Mittelfinger, Zeigefinger und Daumen der linken Hand wahr. Und widerstand der Versuchung, das eingehender zu prüfen.
»Ich bin Linkshänderin«, erklärte sie geflissentlich.
»Dann befinden Sie sich wohl gerade in einer aktiven Phase.«
»Mit diesen drei Fingern werde ich irgendetwas Kreatives anstellen. Mit einem Pinsel malen, mit einem Stift ein Gedicht schreiben …«
Balistreri wandte den Blick ab. Er überlegte, was er mit einer wie Ornella Corona und ihren drei lilafarbenen Fingernägeln früher alles getrieben hätte. Ihm kam einiges in den Sinn, aber nichts davon konnte ihn wirklich reizen.
Ich bin nur noch ein Sünder im Geiste, ein Meister der Unterlassung. Zum Kotzen …
Sie fuhr in demselben Ton fort. »Ihr Mitarbeiter, der neulich hier bei mir war, dieser Kleine …«
»Ispettore Coppola.«
»Genau. Ein ziemlich zudringlicher Kerl. Der ist mir ganz schön auf die Pelle gerückt.«
Dieser verdammte Zwerg schon wieder …
»Ich muss mich für ihn entschuldigen. Wenn Ispettore Coppola eine schöne Frau sieht, dann …«
Sie begann zu lachen. »Ich habe mich wohl falsch ausgedrückt. Es war nicht er, der zudringlich war, sondern seine Fragen. ›Eindringlich‹ wäre vielleicht das bessere Wort.«
Balistreri sah ihr ins Gesicht. »Von mir hören Sie gleich schon wieder eine, und die hat er Ihnen noch nicht gestellt.«
Sie rollte sich noch weiter zusammen und musterte ihn. »Eine zudringliche oder eine eindringliche?«
»Eine dringliche, Signora. Die Situation hat sich ein wenig zugespitzt. Wir haben Grund zur Annahme, dass das Bella Blu nicht zufällig der Tatort war. Daher sind jetzt alle Fragen im Zusammenhang mit dem Bella Blu von großer Dringlichkeit.«
»Aber ich war doch schon ewig nicht mehr dort«, protestierte sie, mit einem Mal ganz ernst und besorgt.
»Seit Sie Avvocato Ajello Ihre Anteile an der ENT verkauft haben, meinen Sie?«
»Nein, schon lange vorher nicht mehr, als mein Mann noch lebte. Das Bella Blu ist ein langweiliger Laden.«
Ornella Corona stand auf. Sie wandte ihm den Rücken zu und ging mit ihrem geschmeidigen Gang zum Barschrank, um sich einen Grapefruitsaft einzuschenken. Die Leggings schmiegten sich perfekt an ihre Beine.
Dreh dich um. Wenn ich meine Frage stelle, will ich nicht deinen Hintern sehen, sondern dein Gesicht.
Als sie sich wieder umwandte, war sie auf alles vorbereitet. »Und welche Frage wäre das, Dottor Balistreri?« Sie setzte sich wieder, beugte sich diesmal aber zu Balistreri vor. Die weite Bluse bot ihm jene Aussicht, die wohl Sandro Corona und vielen anderen Männern den Schlaf geraubt hatte.
»Kannten Sie Ajello schon vor dem Tod Ihres Mannes?«
»Ja«, antwortete sie sofort. Und nach einer kurzen Pause fügte sie mit einem Blitzen in den Augen hinzu: »Fabio Ajello, den Sohn des Avvocato.«
Angesichts seiner Verwirrung eilte sie ihm geflissentlich zu Hilfe. »Fabio habe ich oft getroffen. Beim Spinning im Sport Center, wissen Sie?«
Balistreri nickte nachdenklich. »Vermutlich haben Sie Fabio Ajello über seinen Vater kennengelernt.«
»Nein, umgekehrt. Fabio hat mir Avvocato Ajello vorgestellt, als er einmal zum Mittagessen ins Sport Center kam.«
»Wie alt ist Fabio denn?«, fragte Balistreri. Und bereute es sofort.
Gleich lacht sie mich aus. Ein altes Schwein, das sich das Unvorstellbare vorstellt. Sie macht sich einen Spaß draus, diese Fantasien in mir zu provozieren.
»Ich glaube neunzehn, zwanzig. Er hat die Schule mit einem Jahr Verspätung beendet und überlegt noch, was er studieren soll. Jedenfalls ist er volljährig«, ergänzte sie mit dem unschuldigsten
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