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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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ins Büro zurückkam, war es schon drei, und er hatte noch nicht zu Mittag gegessen.
    Corvu und Piccolo sparten sich Bemerkungen zu seinem Äußeren. Klatschnasse Kleidung, Stoppelbart, die Schuhe voller Matsch. Jeden anderen hätten die Wachmänner für einen Obdachlosen gehalten und verscheucht.
    »Es gibt eine wichtige Neuigkeit«, verkündete Piccolo.
    »Zwei Neuigkeiten«, präzisierte Corvu.
    »Mastroianni ist aus Rumänien zurück. Über einen Freund hatte ich ihm Zugang zu den Geheimarchiven verschafft, die nach Ceau ş escus Tod geöffnet wurden. Bei den beiden Opfern, für deren Ermordung Mircea und Greg angeklagt wurden, handelte es sich um zwei pensionierte Beamte des Innenministeriums. Securitate. Eine dicke Akte. Unter anderen hatten sie Marius Hagis Bruder auf dem Gewissen.«
    Ein Mann, der nicht verzeiht. Das hatte Alina wohl auch entdeckt.
    »Eine wichtige Information«, sagte Balistreri. »Mit den laufenden Ermittlungen hat das zwar nicht direkt zu tun …«
    »Die zweite Information schon«, meldete sich Piccolo zu Wort. So wie sie strahlte, hatte sie bestimmt Colajacono am Wickel. Oder vielmehr sein Andenken.
    »Nach der heutigen Besprechung mit Pasquali habe ich Rudi gebeten, noch einmal nachzudenken, ob Hagi irgendetwas Komisches gesagt oder getan hat an jenem 29. Dezember, als ich ins Kommissariat von Torre Spaccata gefahren war und mit Colajacono gesprochen hatte. Rudi fiel ein, dass er Hagi einen Kaffee in den Billardsaal brachte und beim Telefonieren störte. Er hörte nur noch den letzten Satz, aber ich glaube, der reicht.«
    Piccolo machte eine Pause.
    Balistreri wurde ungeduldig. »Los, Piccolo. Was hat Hagi gesagt?«
    »Er sagte: ›Vergiss es, das sind doch nur die Straßenfeger vom Paradies.‹«
    Als Balistreri wieder allein in seinem Büro saß, musste er an Marius Hagi denken. Wie er wohl diesen Tag verbrachte, den letzten in Freiheit? Am nächsten Tag würde Pasquali ihn verhaften lassen und zur Not die Indizien, die an allen Ecken und Enden aufgetaucht waren, durch erfundene Beweise ausschmücken. Auf leeren Magen trank er zwei Biere und einen doppelten Whisky und rauchte vier Zigaretten.
    Er schaltete die Klimaanlage auf die höchste Stufe und sperrte den glühend heißen Nachmittag hinter den Rollläden aus. Dann knipste er die Leselampe an und trug sie zusammen mit drei Akten zum Sofa. Die erste enthielt alle Vernehmungen der drei Roma, die Samantha misshandelt und getötet hatten, die zweite die von Vasile, dem mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder von Nadia. Über zwei Stunden brauchte er, um das alles noch einmal zu lesen.
    Schließlich holte er eine Lupe und öffnete die dritte Akte mit dem Obduktionsbefund zu Elisa Sordi. Auch nach vierundzwanzig Jahren erinnerte er sich noch gut daran. Foto Nummer 43. Frisch verkrustete Narbe in Form eines Halbkreises auf der linken Brust, unten unterbrochen, weil ein Teil der Brust fehlte. Mögliche Ursachen: Bissabdruck von menschlichem Oberkiefer, Schnitt oder Hautabschürfung durch Zweige oder im Fluss treibenden Schrott.
    Einen miserablen Job hatte er da gemacht, die reinste Ansammlung von Unsicherheiten, Oberflächlichkeiten und Absurditäten. Abschreckendes Beispiel aus einem Lehrbuch der schlimmsten Fehler, die man unbedingt vermeiden sollte.
    Die Lupe war nicht nötig, um die Hypothese eines zufälligen Schnittes oder Kratzers auszuschließen. Die gebogene Linie auf den Überresten der linken Brust verlief gleichmäßig und in einem Stück, das Viertel eines Kreises. Menschlicher Oberkiefer? Dann wären das die mittleren und seitlichen Schneidezähne und die Eckzähne. Er nahm die Lupe, um es sich genauer anzusehen. Das war nicht Teil einer Ellipse, sondern eines Kreises. Ein Stück des Buchstabens O. Natürlich würde kein Rechtsmediziner beschwören, dass es sich um eine Einritzung handelte. Ein eingeritztes O.
    Aber inzwischen wissen wir viele Dinge, die wir 1982 nicht wussten. Vier ermordete junge Frauen: R E V I. Und vielleicht ein O. Vielleicht getötet durch ein und dieselbe Hand, die des Unsichtbaren.
    Er arbeitete bis zum Abend, ohne Rücksicht auf Müdigkeit und Hunger. Dann rief er Corvu und Piccolo zu sich. Gemeinsam lasen sie die Akte über Elisa Sordi dreimal ganz durch. Diese Arbeit hätte er sich viele Jahre zuvor machen müssen. Alle Details, alle Alibis. Nun kamen aber weitere Personen hinzu: Hagi, Ajello. Und weitere Fakten.
    Am Ende notierte sich Corvu: Alibis dieser Personen in Bezug auf alle Verbrechen

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