Du bist das Boese
Balistreri, und daran sind Sie schuld. Aber seit einem Jahr weiß ich das hier.« Er zeigte auf sein blutbeflecktes Taschentuch. »Und nun kann ich nicht länger warten, mir rennt die Zeit davon. Ich brauche Sie, um den Täter zu finden.«
»Was meinen Sie wohl, was Sie durch Ihre Verbrechen erreichen? Wollen Sie den Namen des Mörders herausfinden, oder wollen Sie dafür sorgen, dass in Italien die Rumänen massakriert werden! Sie verwandeln dieses Land in ein Inferno hemmungsloser Rassisten!«
Hagi sah ihn spöttisch an. »Wie dieser Zwerg, den ich in jener Nacht abgeknallt habe …«
Balistreri verlor die Beherrschung und ging auf ihn los. Das Blut rauschte in seinen Ohren und Schläfen, als er Hagi die Kehle zudrückte. Die Gefängniswärter sprangen herbei. Einer war glücklicherweise ein Muskelprotz und konnte Hagi befreien.
Der spuckte Blut, hustete wild und hielt sich den Hals. Dennoch stellte er seinen spöttischen Blick zur Schau, als die Wärter ihn stützten.
»Rufen Sie einen Arzt«, sagte Corvu.
»Nicht nötig, ist nicht schlimm«, sagte Hagi und massierte sich den Hals. Dann wandte er sich an Balistreri. »Sehen Sie, wie wenig es braucht, um jemanden umzubringen, Balistreri? Aber das wussten Sie ja schon, hab ich recht?«
»Das reicht«, sagte Corvu. »Bringen Sie dieses Tier zurück in die Zelle.«
»Nein«, sagte Hagi. »Jetzt holen wir Fiorella Romani.«
»Sie können mich loslassen, ich habe mich beruhigt«, sagte Balistreri zu den Wärtern, die den Griff lockerten, sich aber zwischen Hagi und ihm postierten.
»Sie gehen nirgendwohin, Hagi«, sagte Corvu.
»Dann sagen Sie Fiorella Romani Adieu. Und Sie haben einen weiteren Toten auf dem Gewissen, Balistreri. Aber was macht schon einer mehr oder weniger …«
Er will dich wütend machen. Er will, dass du auch so eine Bestie wirst wie er.
Dieser Gedanke beruhigte ihn. »Ich glaube Ihnen nicht mehr, Hagi. Sie wissen ja nicht einmal, ob sie noch lebt.«
Hagi warf einen Blick auf die Wanduhr. Noch eine Minute bis eins.
»Schalten Sie Ihr Handy ein, Balistreri. Sofort.«
Und noch etwas anderes will er: dich zerstören. Das ist es, was er für Fiorellas Rettung verlangt.
Sobald das Handy an war, klingelte es. »Ja«, antwortete Balistreri.
Ein angsterfülltes Flüstern. »Hier ist Fiorella Romani. Ich flehe Sie an, kommen Sie mich holen, und bringen Sie Tweety mit!«
Die Verbindung wurde gleich wieder abgebrochen.
Balistreri rief Fiorellas Mutter an. »Wer ist Tweety?«
Franca Giansantis Stimme überschlug sich. »Das ist ihr Lieblingskuscheltier, das Küken Tweety. Ihre Großmutter Gina hat es ihr geschenkt. Dottor Balistreri, was ist los?«
»Vertrauen Sie mir, Signora. Ich gebe Ihnen bis heute Abend Bescheid.«
Es kostete den Polizeipräsidenten viel Überzeugungsarbeit, um dem Innenminister und dem Justizminister die Erlaubnis abzuringen, dass Hagi, streng bewacht und in Handschellen, das Gefängnis vorübergehend verlassen durfte.
»Das ist Wahnsinn, Balistreri. Aber mir ist egal, ob wir alle dabei untergehen, solange wir nur einen letzten Versuch unternehmen, das Mädchen zu retten«, sagte Floris.
»Sie sind ein anständiger Mensch, Signor Questore.«
»Sie auch, Balistreri. Passen Sie auf sich auf.«
Instinktiv tastete Balistreri nach seiner Beretta.
Er ging zurück in den Vernehmungsraum. »Und wohin soll es gehen, Signor Hagi?«
»Heute ist Sonntag, und das Wetter ist schön, wie ich gehört habe. Deshalb fahren wir heute Nachmittag ans Meer. Ich begleite Sie in Ihrem Auto.«
»Wir fahren mit einem Mannschaftswagen«, sagte Corvu, aber damit war Hagi nicht einverstanden.
»Nein, wir nehmen ein schönes normales Auto. Ich will die Aussicht genießen, denn das wird wohl mein letzter Ausflug sein. Und wenn ich nichts sehen kann, wie soll ich Ihnen dann den Weg zum Heil zeigen?«
Nachmittag
Sie fuhren in einer Kolonne von fünf Wagen. Die ersten und die letzten beiden waren mit je vier bewaffneten Polizisten besetzt. Im mittleren Wagen saßen sie zu viert: Corvu am Steuer, Piccolo daneben, Balistreri und der gefesselte Hagi auf der Rückbank. Um halb drei brachen sie auf. Der Nachmittag war glühend heiß. Das Thermometer im Auto zeigte vierzig Grad Außentemperatur an.
»Wir nehmen die Pontina in Richtung Meer«, befahl Hagi.
Als sie das Stadtzentrum hinter sich ließen, schwieg Hagi. Gierig betrachtete er die von Touristen bevölkerten Bürgersteige, den Tiber, die Terrassen der Restaurants. Es war wenig Verkehr.
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