Du bist das Boese
drei Namen mit Fragezeichen«, erklärte Corvu.
»Wir könnten Hagis Hinweis auf seine Frau Alina folgen«, sagte Mastroianni. »Bei den Opfern ohne Einritzung gilt der Anfangsbuchstabe des Vornamens.«
»Richtig«, sagte Corvu. »Obwohl ich mir beim letzten Buchstaben nicht sicher bin.«
Hängt davon ab, welche Einritzung wir vorfinden, dachte er, ohne es laut auszusprechen.
»Dann hätten wir O U A R E G V I F . Allerdings könnte die Reihenfolge auch eine andere sein«, bemerkte Piccolo.
»Ich habe viele Analysen zu ähnlichen Fällen gelesen. Die Reihenfolge ist Teil der Manie und immer von entscheidender Bedeutung.«
Balistreri wurde ungeduldig. »Ich kann mit diesen Buchstaben überhaupt nichts anfangen.« Doch in seinem Geist begann sich eine ferne Erinnerung zu regen. Sie nahm Konturen an, schimmerte auf und verblasste wieder. Etwas, das er mal irgendwo gesehen hatte.
Jetzt übernahm Piccolo. »Was Valerio Bona angeht, so gibt es keinen Zweifel an einem Selbstmord. Unmittelbar nach dem Verhör ist er nach Ostia gefahren. Zwei Zeugen haben ihn allein auf sein Boot steigen und im Dunkeln hinausfahren sehen. In einer kleinen ruhigen Bucht gleich hinter dem Hafen hat er den Anker gesetzt. Das Boot lag fünfhundert Meter vom Ufer entfernt. Eine Wache der Finanzpolizei hat es gegen zweiundzwanzig Uhr gesichtet, da hatte sich Valerio Bona bereits am Mast erhängt. Kein Zweifel, das hat er allein getan.«
Piccolo machte eine Pause. Sie zögerte. »Er hat einen Zettel mit einer Nachricht hinterlassen«, sagte sie schließlich. »Es ist unverkennbar seine Schrift. Soll ich ihn vorlesen?«
Sie warf Balistreri einen unsicheren Blick zu.
»Nur zu, Piccolo, lesen Sie.«
Sie sah auf den Zettel und begann zu lesen.
»Wir hätten schon damals die Wahrheit sagen sollen, doch uns fehlte der Mut. Der Herr möge mich meiner gerechten Strafe zuführen.«
»Für wen hat er den Zettel hinterlassen?«, fragte Balistreri.
»Das steht nicht drauf«, sagte Piccolo. »Aber da ist noch etwas anderes. Nach dem Verhör ist von Valerio Bonas Handy noch ein einziger Anruf rausgegangen. Wir haben den Mobilfunkanbieter kontaktiert, und der konnte uns die Information gleich liefern. Es ist die Nummer der Telefonzentrale des Vatikan.«
Diesmal war der persönliche Assistent von Cardinale Alessandrini unerbittlich. Der Kardinal lese die Messe, danach begleite er die Gattin eines ausländischen Staatschefs bei einer Privatführung durch die Sixtinische Kapelle, und dann müsse er noch die Ansprache zum Angelus durchsehen, die der Papst um zwölf Uhr an seinem Urlaubsort im Aostatal halten würde.
Balistreri wusste, dass er schon jedes Maß überschritten hatte, doch er wollte es darauf ankommen lassen. Eine Krise zwischen dem italienischen Staat und dem Vatikan hatte sehr viel weniger Bedeutung als das Leben von Fiorella Romani.
Um neun Uhr morgens rief er Floris an, fuhr zu ihm und erklärte ihm, was er vorhatte. Der Polizeipräsident hörte aufmerksam zu, halb ungläubig, halb erschrocken. Am Ende lächelte er und drückte ihm die Hand.
Floris rief direkt den Innenminister an. Der sperrte sich, bis Floris zu bedenken gab, dass Balistreri unberechenbar sei und sicher Linda Nardi kontaktieren und eine Pressekonferenz anberaumen würde, wenn man seinem Wunsch nicht nachkam.
Der Minister telefonierte mit dem Untersekretär im Präsidium des Ministerrats, der dem Vatikan bekanntermaßen sehr nahestand. Schon die explizite Androhung einer Pressekonferenz, in deren Verlauf Balistreri den Kardinal persönlich für den Tod von Fiorella Romani verantwortlich machen würde, veranlasste den Untersekretär, Cardinale Alessandrini anzurufen. Er entschuldigte sich vielmals, eröffnete ihm, dass Balistreri außer Kontrolle sei und bei nächster Gelegenheit versetzt werden würde, bat ihn jedoch inständig, die Kirche, die wegen ihrer Verteidigung der Rechte der Roma schon genug in der Kritik stehe, möge doch bitte alles tun, um weiteren Schaden abzuwenden. Cardinale Alessandrini war bereit, Balistreri eine halbe Stunde zuzugestehen, Punkt zehn in der Sixtinischen Kapelle. Obwohl Balistreri seit so vielen Jahren in Rom lebte, war er dort noch nie gewesen.
Alessandrinis Assistent quittierte Balistreris Erscheinung mit einem angewiderten und pikierten Blick. Der Kardinal erschien pünktlich und in vollem Ornat, was die eisige Distanz zwischen ihnen noch betonte. Er hatte nur wenige Minuten, um diesen Abgrund zu überwinden.
Die Begrüßung war
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