Du bist das Boese
dort an, um das neue Krankenhausgebäude einzuweihen. Blieb noch zu klären, warum Manfredis Name nicht in der Passagierliste vermerkt war, aber auch darauf hatte Balistreri schon eine Antwort.
All dies waren Ergebnisse ihrer Ermittlungen. Es gab keinen einzigen Beweis für Manfredis Anwesenheit an den Tatorten, auch nicht im Fall von Ajello und Paul. Giovanna Sordi hatte er vermutlich am Sonntagmorgen nach der Messe angesprochen. Manfredi war damals bei Elisa gewesen, als deren Mutter angerufen hatte, kannte also den Inhalt ihres Gesprächs und konnte Giovanna Sordi leicht von seinem Wissensvorsprung überzeugen. Aber auch das war reine Spekulation.
Nur der Überfall auf Linda Nardi galt als erwiesen. Während der langen Besprechung am Abend des 23. Juli sprachen sich alle – Regierung, Polizeipräsident, Staatsanwaltschaft und Ermittler – dafür aus, über die Angelegenheit Stillschweigen zu bewahren. Manfredis tragisches Ende wurde heruntergespielt und gesondert behandelt. Ein früherer Schulkamerad vom Carlo Magno, der Linda den Hof machte. Eine Auseinandersetzung mit ihrem derzeitigen Freund, die tragischerweise mit seinem Tod endete. Kein Serienmörder, kein Skalpell, nichts.
Die Verbrechen an den ermordeten und eingeritzten Frauen würden sie allesamt Hagi zuschreiben, der sich jedes Mal am Tatort aufgehalten hatte. Der ideale Sündenbock. Hagi hatte sich während der dramatischen Befreiungsaktion von Fiorella Romani eine Schießerei mit der Polizei geliefert und dabei eine tödliche Verwundung erlitten. Seinen Komplizen Ajello hatte er bereits ermordet, als die beiden noch allein in der Villa waren. Wie er das unbewaffnet und in Handschellen angestellt haben sollte, wurde nicht näher erläutert.
Der junge Conte Manfredi dei Banchi di Aglieno hatte nichts mit den Verbrechen an den jungen Frauen zu tun, auch nicht mit dem Mord von 1982. Der Fall Elisa Sordi wurde nie gelöst.
Als Conte Tommaso dei Banchi di Aglieno in Nairobi für den Nachtflug nach Frankfurt an Bord ging, wurde er von einem zerknirschten Polizeichef telefonisch über den tragischen Unfall informiert, bei dem sein Sohn ums Leben kam.
Balistreri war bedingungslos mit allem einverstanden. Er konnte durchsetzen, dass der Name von Linda Nardis Freund, der Manfredi dei Banchi di Aglieno unabsichtlich getötet hatte, vertraulich behandelt wurde und in den Archiven der Staatsanwaltschaft verschwand. Ein klägliches Geheimnis, aber immerhin verschaffte es ihm ein bisschen Zeit.
23.–24. Juli 2006, Nacht von Sonntag auf Montag
Balistreri schickte alle nach Hause und verschanzte sich über Nacht in seinem Büro. Er dachte über eine Bemerkung von Marius Hagi nach. Für einen Blitzkrieg braucht man Geld und Verbündete, Balistreri. Die haben mich benutzt und ich sie. Wir haben uns wechselseitig unter die Arme gegriffen.
Zu irgendeinem Zeitpunkt hatte Marius Hagi sich mit Manfredi verbündet. Eine Zufallsbegegnung? Wohl kaum. Irgendjemand musste sie zusammengebracht haben. Jemand, der sie beide gut kannte und auch den Grund für ihren Hass und ihre Rachegelüste. Hagi wollte sich an dem katholischen Ambiente rächen, das Alina gegen ihn aufgebracht hatte. Und Manfredi hatte einen Hass auf Frauen, wegen all der Demütigungen, die er als junger Mann hatte erleiden müssen.
Erst Linda, dann Elisa. Er hatte sie eingeritzt, aber nicht getötet.
Das erste Opfer, das Hagi und er auswählten, war Samantha. Für Manfredi war sie perfekt und für Hagi erst recht, denn sie war die Tochter von Anna Rossi, die ihm Alina weggenommen hatte. Aber das reichte nicht, es gab noch mehr Feinde. Linda Nardi etwa, die Manfredi für die Hauptschuldige hielt. Und natürlich dieses arrogante Großmaul Michele Balistreri, der den Selbstmord seiner Mutter verursacht und Elisas wahren Mörder verschont hatte. Genau an diesem Punkt hatten sich ihre Schicksale gekreuzt.
Corvu war wie immer sehr effizient gewesen. Er hatte die richtigen Leute kontaktiert und eine Fotokopie der Besucherliste des Innenministers für Sonntag, den 11. Juli 1982, besorgt. Demnach war Conte Tommaso dei Banchi di Aglieno um achtzehn Uhr fünfzig im Ministerium eingetroffen und hatte es um neunzehn Uhr fünfunddreißig wieder verlassen. Was Balistreri schon vor vierundzwanzig Jahren herausgefunden hatte, das war also nichts Neues.
Nun wollte er allerdings die Unterschrift sehen, die unter dieser Liste stand. Die Person, die für den Terminplan verantwortlich zeichnete, war der damalige
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