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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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wecken, und er hatte überall Freunde, denen er irgendeinen Gefallen getan hatte. Corvu war der fähigste Analytiker der gesamten römischen Polizei. Seine Achillesferse waren die Frauen. Auf diesem Gebiet erwies sich der fleißige junge Corvu als eine Mischung aus Trottel und Pechvogel, trotz all der guten Ratschläge und Ermunterungen eines alten Experten wie Balistreri.
    Giulia Piccolo hingegen war in einer Küstenstadt bei Palermo aufgewachsen, von wo sie, kaum volljährig, vor dem Getratsche über ihre sexuelle Orientierung geflohen war. Sie war groß und athletisch, ein Meter achtundsiebzig durchtrainierte Muskeln unter einem hübschen, aber kantigen Gesicht. In Rom hatte sie Sport studiert und den schwarzen Gürtel in Karate erworben. Von Männern in ihrem Leben war nichts bekannt, was Balistreri für ein sehr schlechtes Zeichen hielt. Gelegentlich war sie etwas zu impulsiv, doch der Mut und die Kompromisslosigkeit, die ihr Chef, wie er selbst wusste, im Lauf der Jahre eingebüßt hatte, waren bei ihr noch deutlich ausgeprägt.
    »Guten Morgen, Dottore.« Es war nicht leicht gewesen, Corvu dazu zu bewegen, ihn nicht mit seinem offiziellen Dienstgrad »Signor Vicequestore aggiunto« anzureden. Erst als Balistreri seinen analytisch denkenden Untergebenen darauf hingewiesen hatte, dass zwei von den drei Bestandteilen dieses Titels Verkleinerungsformen waren, hatte Corvu sich bereit erklärt, ihn mit »Dottore« anzureden.
    »Sie sehen müde aus, Dottore«, bemerkte Corvu.
    Die beiden machen sich Sorgen. Sie hören das Gerede auf dem Gang, dass ich bald in den Vorruhestand versetzt würde.
    »Vorstrafen?«, erkundigte sich Balistreri bei Corvu, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
    »Sowohl Camarà als auch Avvocato Ajello sind sauber. Beide haben eine weiße Weste«, antwortete Corvu, weil er nicht genau wusste, welcher von beiden gemeint war.
    »Hast du auch bei Interpol nachgehakt?«
    »Ja, nichts.«
    »Bei Gericht?«
    »Erledigt.«
    »Und beim SISDE ?« Das war eine kleine Gemeinheit, denn Corvu war gar nicht befugt, Informationen beim Inlandsnachrichtendienst einzuholen.
    »Erledigt, auch nichts.« Corvu wandte den Blick ab. Balistreri zog es vor, nicht zu fragen, wie er das wieder angestellt hatte.
    »Und findest du es gar nicht komisch, dass der Geschäftsführer eines Nachtclubs mit Gogo-Tänzerinnen und Rausschmeißern, die mit Sicherheit alle schwarz bezahlt werden, sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen? Es muss ja keine Verurteilung sein, aber nicht mal eine kleine Anzeige wegen Apfeldiebstahls oder so …?«
    »Wo so viel Geld im Spiel ist, findet man doch immer irgendetwas«, setzte Piccolo nach.
    Corvus Miene verfinsterte sich. »Entschuldigung, Dottore, daran hätte ich denken müssen. Ich werde noch einmal bei der Steuerbehörde nachfragen.«
    »Morgen sagst du mir Bescheid. Erzähl mir was über das Opfer.«
    »Papa Camarà hat seit Anfang September im Bella Blu gearbeitet. Er kam um zehn Uhr abends und ging morgens um sechs, wenn das Lokal schloss. Er sorgte dafür, dass keine ›unpassenden‹ Leute – so der Ausdruck von Avvocato Ajello – in die Bar gelangten. Es gab eine Auseinandersetzung vor dem Club.«
    »Was wissen wir darüber?«
    »Ein Zeuge, ein amerikanischer Tourist, kam um zwei Uhr und sah Camarà mit einem Motorradfahrer streiten, der dann wegfuhr. Um halb drei wurde Camarà auf dem Gehweg vor der Bar gefunden, da lag er schon im Sterben. Jemand hatte ihm ein Messer in den Bauch gerammt.«
    »Habt ihr eine Beschreibung des Motorradfahrers?«
    »Der Amerikaner hatte getrunken. Außerdem hatte der Motorradfahrer einen Helm auf.«
    »Gut, redet noch mal mit ihm. Und holt weitere Informationen ein, über den Toten, über Ajello, über seine Bilanzen, alles.«
    Er wandte sich Piccolo zu, nahm das zweite Post-it und reichte es ihr. Eine Achtundzwanzig stand darauf, dahinter ein Ausrufungszeichen und ein Fragezeichen.
    »Stimmt, Dottore. Das Mädchen behauptet, dass sie aus verschiedenen Gründen vier Tage gewartet hat. Ich habe hier das Protokoll der Vermisstenanzeige, die sie gestern im Kommissariat von Torre Spaccata aufgegeben hat. Ramona Iordanescu, die die Anzeige erstattet hat, kennt die Verschwundene erst seit vier Wochen. Es handelt sich um eine gewisse Nadia, Familienname unbekannt. Sie weiß nur, dass sie wie sie aus einem Dorf in der Nähe von Ia ş i kommt, einer Stadt in der Moldau. Seit dem späten Nachmittag des 24. Dezember hat sie nichts mehr von

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