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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Nadia gehört.«
    Balistreri hielt den Sturzbach von Fragen, die Corvu auf der Zunge lagen, mit einer Geste auf.
    »Würden Sie das Wichtigste kurz für uns zusammenfassen?«, bat er Piccolo freundlich. Er war immer sehr darauf bedacht, Rücksicht auf ihre Dünnhäutigkeit zu nehmen. Dass er sie siezte, während er Corvu duzte, wurde als Ausdruck von Respekt verstanden, und es schien sie nicht zu kränken.
    »Ramona Iordanescu, geboren am 4. April 1986 in Ia ş i, Rumänien.«
    »Sie sagten doch Moldawien«, unterbrach Balistreri.
    »Nicht Moldawien, Dottore, Moldau. Das ist eine Region in Rumänien«, erklärte Corvu.
    »Seit dem ersten Dezember 2005 ist sie wohnhaft in der Via Tiburtina. Die Wohnung gehört einem gewissen Marius Hagi, dem Inhaber des Billardcafés nebenan und Arbeitgeber von Mircea Lacatus, einem entfernten Cousin von ihr. Nadia X. lernte sie Ende November auf der Busreise von der Moldau nach Rom kennen. Sie waren sich sympathisch und beschlossen, sich das Zimmer zu teilen, das sie bei Mirceas Arbeitgeber mieteten. In Italien angekommen, zwangen Mircea und ein weiterer Cousin namens Greg die beiden Frauen unter Androhung schwerer körperlicher Gewalt zur Prostitution. Ihr ›Arbeitsplatz‹ war üblicherweise die Via di Torricola, eine Ausfallstraße außerhalb von Rom, zwischen der Via Appia und der Via Casilina. Am 24. Dezember erreichten Ramona und Nadia ihren Posten gegen achtzehn Uhr. Etwa um achtzehn Uhr dreißig stieg Ramona zu einem Kunden ins Auto, und als sie zurückkam, war Nadia nicht mehr da, weder in der Via di Torricola noch in ihrem Zimmer in der Via Tiburtina, wohin Ramona am frühen Morgen des 25. zurückkehrte. Eigentlich hatten sie geplant, nach Rumänien zu fahren und dort gemeinsam den Jahreswechsel zu verleben. Ramona hat ausgesagt, sie habe die Vermisstenanzeige nicht früher aufgegeben, weil sie dachte, es sei ihrer Freundin gelungen, ihren Zuhältern zu entkommen. Sie hat auch ein Foto von Nadia mitgebracht.«
    Piccolo reichte ihnen das Bild. Darauf waren zwei junge Frauen zu sehen, die sich auf dem Petersplatz umarmten. Mit rotem Kugelschreiber hatte jemand ein Herz um sie gemalt. Sie sahen aus, als wären sie nicht einmal zwanzig. Die eine war dunkelhaarig und etwas größer, die andere klein und zierlich, mit blonden Haaren. Unter der Dunkelhaarigen stand ein R, unter der kleinen Blonden ein N.
    »Und gestern hat sie sich dann doch entschlossen, ihre Freundin als vermisst zu melden. Warum?«, fragte Corvu.
    Piccolo las aus dem Protokoll vor. »Ramona Iordanescu wurde heute, am 28. Dezember 2005 um 5 Uhr morgens, vorstellig, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben, da sie eine Stunde später mit dem Bus nach Ia ş i abreisen würde.« Empört sah sie zu Balistreri auf. »Woran sie anscheinend auch niemand gehindert hat.«
    Balistreri vermied es, seinen Unmut zu zeigen.
    Wen interessiert schon das Verschwinden einer rumänischen Hure ohne Aufenthaltserlaubnis?
    Das Gehupe draußen auf der Straße wurde immer lauter, man hörte es sogar durch die Doppelverglasung. Es regnete kräftig. Balistreri freute sich.
    Der Regen dämpft das Leben, wie ein Antidepressivum.
    Er sah auf die Uhr. »Es ist zehn nach acht«, sagte er zu Piccolo.
    »Ich habe mich erkundigt. Um neun ist Schichtwechsel.« Piccolo war bereits aufgestanden.
    »Nehmen Sie den Zwerg mit, und fahren Sie mit Blaulicht. Bei Regen ist Rom eine Katastrophe.«
    Ispettore Antonio Coppola aus Neapel war um die fünfzig und für drei Dinge bekannt: seine geringe Körpergröße, die ihm den liebevollen Spitznamen »Zwerg« beschert hatte, ein galantes Auftreten Frauen gegenüber und den latenten Rassismus des seinerseits diskriminierten Süditalieners. Als junger Mann war er zweimal verheiratet gewesen, beide Male mit Frauen, die viel attraktiver waren als er. Und beide hatten ihn wegen seiner offenkundigen Untreue aus dem Haus gejagt. Er berief sich auf seinen Zwang zur Kompensation – die Eroberung von Frauen sei eben seine Art, den Minderwertigkeitskomplex des kleinen Mannes zu überwinden. Schließlich heiratete er Lucia, ein Mädchen aus Neapel und seine erste Liebe aus Schulzeiten, auch sie groß und schön. Ihr gemeinsamer Sohn Ciro, ein langer Kerl, war mittlerweile sechzehn und Kapitän seiner Basketballmannschaft. Und Coppola begnügte sich damit, schöne Frauen nur noch verbal zu belästigen.
    Dennoch hielt Balistreri es für angebracht, ihn von attraktiven weiblichen Verdächtigen fernzuhalten. Er wollte weder

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