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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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unter einer Matratze im Wohnwagen dreier junger Roma, die erst vor zehn Tagen aus dem Hinterland des Schwarzen Meers nach Italien übergesiedelt waren. Sie hatten weder Arbeit noch Aufenthaltsgenehmigung. Ein DNA -Test belastete sie endgültig. Auch als die drei geschnappt wurden, waren sie sturztrunken.
    Nach einem zweistündigen Verhör lieferten sie ein umfassendes Geständnis ab. An dem Abend seien sie in eine Kneipe gegangen und hätten viel getrunken, zusammen mit einem Landsmann, der auch Koks dabeigehabt habe. Gegen zehn hätten sie das Lokal verlassen. Der Mann sei über Samantha hergefallen, um sie auszurauben, und als sie sich gewehrt habe, hätten sie sie zur Mülldeponie geschleppt. Dort hätten sie das Mädchen inmitten von Plastiktüten, Abfällen, Spritzen und Hundekot misshandelt. Abwechselnd hätte sie einer am Nacken gepackt, einer ihre Arme festgehalten und einer sie vergewaltigt. Irgendwann habe sie das Bewusstsein verloren. Erst beschuldigten sie sich gegenseitig, sie erdrosselt zu haben, doch am Ende waren sie sich einig, dass es der unbekannte Vierte war, von dem sie nichts weiter wussten. Die Hautpartikel auf Samanthas Leiche stammten allerdings allesamt von den drei jungen Männern, weshalb nichts für die Beteiligung eines vierten Täters sprach. Als die drei vor die Polizeiwache traten, warteten dort Tausende von Menschen, die sie lynchen wollten. Den Ordnungskräften gelang es nur mit Mühe, den Mob aufzuhalten, wobei einige Beamte die drei am liebsten eigenhändig massakriert hätten.
    Die Medien zogen über die rumänische Gemeinde her, über die Polizei, vor allem aber über die Sondereinheit und ihren Chef Michele Balistreri, Exfaschist und in den Augen vieler nun auch Expolizist. Doch Pasquali suspendierte ihn nicht. Er wusste nur zu gut, dass die drei Roma Analphabeten und somit nicht in der Lage waren, dem getöteten Mädchen einen Buchstaben in den Leib zu ritzen. Sein Instinkt und sein Scharfsinn geboten ihm zu warten. Von den Christdemokraten hatte er gelernt, dass man immer einen Ausweg und einen Sündenbock parat haben sollte.

ZWEITER TEIL

Donnerstag, 29. Dezember 2005
    Vormittag
    Ein lautes Fluchen weckte ihn. Balistreri drehte sich auf die andere Seite und sah zum Fenster. Draußen begann es zu dämmern. Ein Blick auf den Wecker: fünf Uhr vierzig. Er vergrub seinen Kopf unter dem Kissen, doch es gelang ihm nicht, wieder einzuschlafen. Er geriet ins Grübeln.
    Dieser Teil von Rom war Himmel und Hölle zugleich. Seit drei Jahren lebte er gezwungenermaßen in der Altstadt, die er so hasste und die in der Nacht ebenso bezaubernd war wie chaotisch und stinkend am Tag. Seine kleine Wohnung im zweiten Stock, die man eigens für Beamte und höhere Angestellte angemietet hatte, lag in einer Gasse in der Nähe des Innenministeriums, inmitten von Autolärm, Touristenmassen und Shoppingwahn. In dieses Loch zog er sich fast jeden Abend zurück, sperrte die Welt hinter den Fenstern aus und tröstete sich mit einer CD oder einem guten Buch. Immer seltener mit einer Frau. Er schlief wenig und schlecht und registrierte jedes laute oder leise Geräusch, das diese elende Stadt von sich gab. Schlafmittel konnte er nicht nehmen, weil sie sich nicht mit den Antidepressiva vertrugen.
    Wieder das Fluchen, noch lauter jetzt. Resigniert stand er auf, öffnete das Fenster und sah auf die Gasse hinunter. Aus einem weißen Lieferwagen mit geöffneten Hecktüren luden zwei Ausländer Ware aus und schleppten sie in das Bekleidungsgeschäft. Der Besitzer des Ladens, ein alter Jude, diskutierte mit einem Typen, der genauso bullig war wie sein SUV. Offensichtlich versperrte der Lieferwagen ihm den Weg. Der Fahrer fluchte ein drittes Mal, gab dem Juden einen Schubs und schrie ihn mit seinem starken römischen Akzent an: »Schaff sofort die Scheißzigeuner aus dem Weg!«
    Die beiden unterbrachen die Packerei und gingen auf den SUV -Fahrer zu. Balistreri sah, wie der die Hand unter seine schwarze Lederjacke schob.
    »Das lässt du besser bleiben«, sagte er, denn er war nah genug dran, um nicht schreien zu müssen. Alle vier legten den Kopf in den Nacken und schauten zu ihm hoch.
    »Was willst du denn? Geh wieder schlafen, du Arschloch«, rief ihm der Pöbler zu.
    »Das lässt du besser bleiben«, wiederholte Balistreri. »Wenn du die Pistole rausholst und jemandem wehtust, sitzt du in der Falle. Außerdem hab ich auch eine Pistole.« Fröhlich schwenkte er die Spielzeugversion einer Magnum 44, die er vor

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