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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Jahren bei einem FBI -Lehrgang geschenkt bekommen hatte.
    Der Krakeeler flüchtete sich aus der Schusslinie in den Hauseingang. Der Jude stand immer noch mitten in der Gasse und sah Balistreri fragend an.
    »Signor Fadlun, lassen Sie den Lieferwagen eine Runde um den Block fahren, damit der Herr vorbeikann.«
    Der Alte lächelte und gab den beiden Männern ein Zeichen, die nun schnell die Heckklappen schlossen und in den Lieferwagen kletterten.
    »Der Weg ist frei, Sie können ganz in Ruhe weiterfahren, Signore«, sagte Balistreri.
    Der Mann sah etwas unsicher aus seinem Versteck zu ihm hoch. »Das ist nur eine Spielzeugpistole«, beruhigte Balistreri ihn.
    Worauf der Pöbler wieder zu Hochtouren auflief. »Komm runter, damit ich dir die Knochen einzeln brechen kann, du Arschloch.«
    Balistreri lächelte geduldig. Er fragte sich, ob er mit den Jahren vernünftiger geworden war oder einfach nur ein Weichei.
    »Keine Angst«, versicherte der Jude dem Mann mit honigsüßer Stimme. »Mein Nachbar ist Polizist, der schießt bestimmt nicht auf Sie.«
    Der weiße Lieferwagen hatte eine Runde gedreht und kam nun hinter dem SUV zum Stehen.
    »Aber wenn Sie sich nicht innerhalb von fünf Sekunden vom Acker machen, durchsiebe ich die Reifen Ihrer schönen Kutsche«, drohte Balistreri und winkte jetzt mit seiner Beretta, die gar nicht geladen war.
    Der SUV bretterte davon. Balistreri schloss das Fenster und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen.
    Fünf Minuten später klingelte es bei ihm. Es war Signor Fadlun. Er blieb vor der Türschwelle stehen, in der Hand ein Paket, aus dem ein köstlicher Duft strömte.
    »Meine Frau hat eben die Baklavas aus dem Ofen geholt. Ich weiß doch, wie gern Sie die mögen.« Er war etwas zerknirscht, denn Balistreri hatte ihn schon mehrfach gebeten, erst nach sechs sein Zeug auszuladen wie alle guten Christenmenschen.
    »Sagen Sie Ihrer Frau vielen Dank, Signor Fadlun.«
    »Und entschuldigen Sie nochmals.« Jetzt lächelte Fadlun ein bisschen. Seit drei Jahren kannten sie sich gut. »Die Geschäfte, wissen Sie. In der Weihnachtszeit braucht man eben viel Ware.«
    Balistreri betrachtete sein Handgelenk, auf dem immer noch die Nummer zu erkennen war, die ihn als Insassen von Auschwitz offenbarte. Ihm schauderte bei dem Gedanken, was wohl der Balistreri von vor dreißig Jahren über diesen Alten gesagt hätte. Er bedankte sich freundlich und machte ihm keine Vorhaltungen, dass er sein Geschäft so früh geöffnet hatte.
    Die letzten beiden Wochen waren unerträglich gewesen. Wie immer hatten die Menschen auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken die Innenstadt überrannt, ein unerträgliches Gewimmel.
    Balistreri nahm seine Magentablette, knabberte mit einem bedauernden Blick auf die Baklavas von Fadluns Frau seinen Vollkornzwieback, trank koffeinfreien Kaffee, rauchte die erste Zigarette des Tages und kontrollierte, ob in der Schachtel wirklich nicht mehr als fünf waren. Dieses labbrige Gesöff war genauso fad wie sein Leben. Sein Vater, ganz Sizilianer, hatte immer gesagt, dass koffeinfreier Kaffee wie Paffen oder wie ein Koitus Interruptus sei. Von seiner sizilianischen Hälfte hatte Balistreri den Teil ausradiert, den er hasste, und den Teil, den er liebte, hatte er vergessen.
    Er duschte und zog sich an. Die Hose schlotterte ihm um die Hüften. Er hatte schon wieder abgenommen, fünf Kilo in den vergangenen sechs Monaten, und seine Schläfen wurden immer grauer. Mit dem letzten Schluck Kaffee nahm er das Antidepressivum.
    Früher hatte ich keine Angst vor dem Tod. Heute versuche ich ihn so weit hinauszuzögern wie möglich.
    Es war nicht einmal sieben, als er das Haus verließ. Ins Büro brauchte er fünf Minuten. Der Wachtposten am Eingang hechtete los, um ihm den Fahrstuhl aufzudrücken. Balistreri mochte das nicht, aber es gehörte zu den Ritualen, die seine Vorgänger eingeführt hatten. Und seine schwindende Beliebtheit ließ keine Kritik am System zu. Im Übrigen arbeitete er seit fünfundzwanzig Jahren für dieses System und war demnach selbst Teil davon, viel zu lange schon.
    Er fuhr hinauf in den dritten Stock, wo sich die Büros der Sondereinheit befanden. Das seine war ein großes Eckzimmer mit Stuck aus dem achtzehnten Jahrhundert an der dreieinhalb Meter hohen Decke und mit Blick auf Kolosseum und Forum Romanum.
    Alle Büros waren leer. Nur Margherita, die neue Telefonistin und Sekretärin, saß in ihrer Kabine und begrüßte ihn mit einem Lächeln. Ein liebes Mädchen,

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