Du bist das Boese
nicht jetzt. Wenn Ihnen das möglich erscheint, machen wir das irgendwann bei einem Abendessen.«
Aus dem Mund von Linda Nardi klang das völlig anders als bei anderen Frauen. Nicht die Spur einer Anspielung oder Zweideutigkeit. Ein Arbeitsessen. Der arme Colicchia kam ihm in den Sinn.
Sie las seine Gedanken, zumal sie wusste, dass Colicchia und er einst gute Freunde waren. »Ich lade Sie ein.«
Balistreri sah ihr in die Augen. »Ich kann Ihnen aber nichts versprechen.«
»Das sagten Sie bereits, Dottor Balistreri. Und jetzt erklären Sie mir, was ich für Sie tun kann.«
Das tat er. Sie hörte schweigend zu.
Am Ende schüttelte sie den Kopf, als wollte sie ablehnen, und sagte: »In Ordnung.«
Der dreißigjährige Ispettore Marcello Scordo war Kalabrese und sah ziemlich gut aus, daher der Spitzname Mastroianni. Er war glücklich verlobt mit einer jungen Frau aus seiner Gegend, und trotz der vielen hübschen Polizistinnen, die ihm mitunter recht eindeutige Angebote machten, war er ihr treu, was seinem Spitznamen einen ironischen Klang verlieh.
»Giorgi und Adrian besitzen eine reguläre Aufenthaltsgenehmigung und sind Angestellte des Reisebüros Marius-Travel«, begann Mastroianni. »Sie sagen, Marius Hagi sei herzensgut und anständig, ein wunderbarer Chef.«
»Wenn es nach ihnen geht, ist er der nächste Papst«, witzelte der Zwerg.
»Giorgi und Adrian wissen nichts von den Mädchen. Am 24. sind sie um sechs Uhr nachmittags zusammen mit Hagi, Mircea und Greg direkt vom Reisebüro aus mit der Metro ins Casilino 900 gefahren. Sie waren die ganze Zeit zusammen, und um zehn Uhr abends waren sie auf dem Petersplatz. Sie haben nichts mit Nadias Verschwinden zu tun.«
Der Zwerg schüttelte ungläubig den Kopf. »Auf dem Petersplatz …diese Scheißkerle!«
Balistreri wandte sich an Corvu. »Machen wir weiter mit Mircea und Greg.«
»Greg und Mircea Lacatus kommen aus dem ärmsten Vorort von Gala ţ i in der Moldau, in der Nähe vom Schwarzen Meer, wie Marius Hagi. Er holte sie Ende 2002 hierher. In Italien liegen keine Vorstrafen gegen sie vor, und wie es in Rumänien aussieht, prüfen wir noch. Auch sie sind bei Marius-Travel angestellt.«
»Was sagen sie zu den Mädchen?«
»Sie behaupten, Nadia und Ramona hätten sich aus freien Stücken prostituiert. Eine Anstellung als Kellnerinnen hätten sie abgelehnt, weil sie schnell viel Geld verdienen und dann nach Rumänien zurückkehren wollten. Die kostenlose Unterkunft bei Hagi haben ihnen Mircea und Greg vermittelt. Kurz, zwei Schutzengel.«
Balistreri wandte sich direkt an Piccolo: »Rudi hat ausgesagt, dass Nadia am Abend des 23. Dezember nicht in der Via di Torricola gearbeitet habe, sondern mit Mircea weggefahren sei.«
Piccolo nickte. »Mircea beteuert, er habe sie nur ins Restaurant ausgeführt, sonst nichts. Nach dem Essen hätten sie gestritten, weil Nadia keinen Sex wollte. Er habe sie dort sitzen lassen und sei zusammen mit Greg, der auch in der Gegend war, nach Hause gefahren. Rudi hat bestätigt, dass beide um Mitternacht in der Wohnung waren und sie auch nicht mehr verlassen haben.«
»Corvu, besorg dir von der Telefongesellschaft die Anruflisten«, ordnete Balistreri an. »Lass dir irgendetwas einfallen, wir behalten sie achtundvierzig Stunden hier. Und Rudi …«
Piccolo hob die Hand. »Rudi muss in Sicherheit sein, bevor sie wieder rauskommen.«
Balistreri lächelte. »Okay, kümmern Sie sich darum. Mastroianni, du fährst sofort in die Via di Torricola, die Prostituierten fangen gleich an. Du gibst dich als Freier aus …«
»Entschuldigung, Dottore«, wandte Corvu ein. »Mastroianni scheint mir als Freier völlig unglaubwürdig zu sein. Vielleicht wäre es besser, wenn …« Verlegen deutete er auf den Zwerg.
Coppola wurde wütend. »Wenn hier einer aussieht wie ein notgeiler Bock, der zu Nutten geht, dann …«
Balistreri unterbrach die beiden sanft. Mittlerweile beherrschte er die Kunst des Vermittelns, die er als junger Mann so gehasst hatte.
»Corvu hat recht, Mastroianni geht nicht. Du übernimmst das, Coppola, weil ich Corvu woanders brauche«, sagte er, um weitere Diskussionen zu vermeiden. »Corvu, du aktivierst deine guten Kontakte nach Rumänien und sorgst dafür, dass irgendjemand Ramona morgen Vormittag in Ia ş i vernehmen kann. Ganz formlos. Ich glaube, es gibt heute noch einen Flug nach Bukarest.«
Während die anderen hinausgingen, machte Corvu sich fleißig Notizen. Dann sah er zu Balistreri auf. »Zu Ramona fliegt
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