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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Haufen geworfen wurde. »Er ist in meinem Büro. Aber Sie hatten doch ausdrücklich angeordnet, ihn nicht zu verhören …«
    »Nicht offiziell«, korrigierte Balistreri. »Aber ihr werdet euch doch wohl nicht schweigend gegenübergesessen haben.«
    »Wir haben über unsere Inseln gesprochen.«
    Balistreri schwieg, und Corvu fuhr zögerlich fort. »Er sagte, in Sardinien sehe das Meer auf den ersten Blick schöner aus, weil es klarer sei, aber das richtige Meer sei in Sizilien. Angeblich hat es die tiefere Seele …«
    »Okay, und über Ramona hat er nichts gesagt?«, fiel Balistreri ihm ungeduldig ins Wort.
    »Darauf wollte ich gerade kommen.« Corvu wählte seine Worte mit Bedacht.
    »Marchese hat gesagt, das sei wie bei den Frauen. Die Sardinnen wirkten zwar zugänglicher, aber die Sizilianerinnen seien vom Wesen her …«
    »Vom Wesen her? Worüber zum Teufel habt ihr denn eigentlich geredet? Und was hat das mit Ramona zu tun?« Corvu errötete, seine Verlegenheit war offensichtlich.
    In diesem Moment kam Piccolo herein. »Dottore, wir haben sie alle hergebracht, auch Mircea.«
    »Sagen Sie Mastroianni und dem Zwerg, dass sie sich bereithalten sollen, dann seid ihr zu viert. Die Rumänen sind auch vier …«
    »Es sind fünf«, präzisierte Corvu, »Marius Hagi kommt heute Nachmittag mit seinem Anwalt.«
    »Marius Hagi verhöre ich, nachdem ihr mit den vier anderen fertig seid.«
    »Aber da ist auch noch dieser junge Albaner.« Corvu blieb hartnäckig.
    Piccolo mischte sich gleich ein. »Rudi müssen wir schützen. Ich habe ihn in meinem Büro eingeschlossen.«
    »Gut gemacht, den lassen wir in Frieden. Vorerst …« Balistreri warf einen bedauernden Blick auf die mittlerweile leere Bierflasche. »Corvu berichtet mir gerade, was er von Agente Marchese erfahren hat.«
    Der Vicecommissario, dem die Sache furchtbar peinlich war, redete um den heißen Brei herum.
    »Entschuldigung, Dottore. Also, Marchese hat gesagt, dass Ramona das Gegenteil von den Sizilianerinnen sei. Die seien nämlich … Die seien nämlich …«, verhaspelte er sich wieder und sah verzweifelt zu Piccolo hinüber, feuerrot im Gesicht.
    Bevor Balistreri richtig wütend werden konnte, fügte Piccolo hinzu: »Die sind nämlich äußerlich Heilige und innen drin Huren! Sizilianische Männer sind und bleiben elende Machos.« Dann erinnerte sie sich an die Wurzeln ihres Chefs und blickte aus dem Fenster.
    Balistreri brach das Schweigen und tat, als hätte er den letzten Teil von Piccolos Bemerkung nicht gehört. »In seinen Augen ist Ramona Iordanescu also eine Heilige.«
    Corvu griff die kriminalistische Wendung der Diskussion dankbar auf. »Ja, eine Heilige. Weil sie den Mut aufgebracht hat, ein zweites Mal wegen ihrer Freundin auf der Wache zu erscheinen, nachdem Colajacono ihr gedroht hatte, dass er es ihr, wenn sie sich noch einmal dort blicken ließe, auf seinem Schreibtisch besorge und sie anschließend in den Knast werfen lasse.«
    Balistreri sah, wie sich Piccolos Gesichtszüge verkrampften.
    Ärger im Verzug. Unter Kontrolle halten.
    Nachmittag
    Er ging gern zu Fuß zu der Kirche an der Piazza Navona, obwohl überall Gedrängel herrschte, wie immer am Jahresende.
    Nach vielen Verkaufsständen, Akrobaten, Porträtzeichnern und Bettlern erreichte er Sant’Agnese in Agone. Linda Nardi war schon da. Außergewöhnliche Kinderaugen, ungeschminkt. Die Kleidung einer Fünfzigjährigen. Balistreri war aufgefallen, dass sich manchmal mitten auf ihrer Stirn eine Falte bildete, die sich senkrecht bis zur Nasenwurzel hinunterzog. Einmal hatte er während eines Interviews auf ihren schönen und vielversprechenden, aber nicht üppigen Busen gestarrt. Das hätte sie eigentlich nicht in Verlegenheit bringen müssen, und doch war sofort diese Falte da gewesen. Das war so unbegreiflich wie die ganze Frau, die sich den Gesetzen des Marktes verweigerte, statt ihr Aussehen für ihre Zwecke einzusetzen. In dieser Welt konnte das schwache Geschlecht durch die Kunst der Verführung viel erreichen. Aber Linda Nardi war nicht darauf aus, jemanden zu verführen.
    »Dottoressa Nardi, ich danke Ihnen, dass Sie sich bereit erklärt haben, mich zu treffen.«
    »Kein Problem, obwohl ich ein wenig überrascht bin. Es entspricht nicht gerade Ihrer Art, sich freiwillig mit Journalisten zu verabreden.«
    »Nicht wirklich«, stimmte er ihr zu.
    »Dann gehen wir besser hinein. Vermutlich wollen Sie unser Treffen nicht an die große Glocke hängen.«
    Die Stille in der Kirche

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