Du bist das Boese
Mastroianni, oder?«
Balistreri stand auf. »Mir scheint, du hast es so entschieden. Wolltest du noch etwas zum Tod des Türstehers vom Bella Blu sagen?«
Corvu hielt ihm zwei Stapel Tabellen hin, die Balistreri angewidert beäugte.
»Wir machen es so, Corvu. Du teilst mir das Ergebnis deiner Recherchen mit, und wenn ich noch Fragen habe, sehen wir uns gemeinsam die Tabellen an.«
Corvu erhob sich. »Stört es Sie, wenn ich dabei herumlaufe?«
Balistreri hatte förmlich das Bild vor Augen, wie Corvu eine junge Frau zum Essen ausführte, einen Stapel Papiere mit Zahlen, Grafiken und Formeln vor sich. Sie stellte ihm eine Frage, und Corvu, der in seinen Papieren keine Antwort fand, sprang auf und tigerte hin und her.
»Wenn du herumläufst, kann ich mich nicht konzentrieren, Corvu. Bleib lieber sitzen.«
Resigniert hockte sich Corvu auf die Stuhlkante und warf einen verstohlenen Blick auf seine Unterlagen.
»Also, das Bella Blu ist Teil einer Kette von Nachtclubs, Wettbüros und Spielhallen, die alle zu einer Gesellschaft namens ENT gehören. Ajello ist seit Ende 2004 alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Damals hat er zehn Prozent der Anteile von den Erben des früheren Geschäftsführers übernommen, einem gewissen Sandro Corona, der Ende Oktober 2004 durch einen Verkehrsunfall ums Leben kam. Die anderen neunzig Prozent verwaltet seit der Gründung Mitte 2002 eine Treuhandgesellschaft«, erklärte Corvu.
»Das bedeutet, wir brauchen einen Richter und einen triftigen Grund, wenn wir erfahren wollen, wer dahintersteckt«, kommentierte Balistreri.
»Jedenfalls«, fuhr sein Mitarbeiter fort, »hat Avvocato Ajello keinerlei Vorstrafen. Die ENT macht allerdings Gewinne, dass einem ganz anders wird. Fünf Millionen Euro, von denen eine halbe an Ajello geht.«
»Und gegen die ENT liegt auch nichts vor?«, fragte Balistreri.
Corvu schaute in seine Notizen. »Doch, im September 2004 gab es ein Beanstandungsverfahren. Die Finanzpolizei hatte in einem der Läden Spielautomaten gefunden, die nicht ans Netz angeschlossen waren, also schwarz betrieben wurden. Damals war noch Corona der Geschäftsführer, nicht Ajello.«
»Danke, Corvu, wir machen später weiter. Signor Hagi müsste inzwischen eingetroffen sein.«
Balistreri kannte Hagis Anwalt Massimo Morandi seit über dreißig Jahren. Zum ersten Mal waren sie sich 1971 an der Universität von Rom begegnet, wo sie beide studiert hatten und an unterschiedlichen Fronten politisch aktiv gewesen waren. Damals hatte Morandi bei einer Kundgebung im Plenum gesprochen, als offizieller Anführer der ultralinken Studentenbewegung. Die Gruppe rechter Studenten war mit Eisenstangen und Knüppeln in den Hörsaal eingedrungen, und am Ende waren Morandi und Balistreri in derselben Polizeizelle gelandet und hatten sich gegenseitig beschimpft. Inzwischen saß Morandi für die Linken im Senat und verteidigte gegen üppige Honorare Geschäftsführer, denen Bilanzfälschung vorgeworfen wurde, und sehr sporadisch auch Zuwanderer aus Nicht- EU -Ländern, sofern sie denn, wie Marius Hagi, den gesalzenen Preis dafür zu zahlen vermochten.
Als Balistreri und Piccolo das Zimmer für die Vernehmung betraten, wussten sie nicht, ob sie eine Art Paten oder einen Doppelgänger von Greg vorfinden würden. Hagi war weder das eine noch das andere. Er war sehr dünn, fast wie ein Asket, hatte kurzes schwarzes Haar und hohle, tief zerfurchte Wangen. Seine schwarzen Augen unter den dichten Brauen wurden von Augenringen umschattet. Er war unauffällig gekleidet und hatte sich zurückgelehnt, die knochigen Hände ruhig auf dem Tisch. Nach außen hin war er vollkommen entspannt, als ginge ihn die Angelegenheit überhaupt nichts an. Gesundheitlich wirkte er allerdings angeschlagen, und er hatte den Reizhusten und die raue Stimme eines Kettenrauchers.
»Nun, Dottor Balistreri«, fragte Morandi. »Was liegt gegen meinen Mandanten vor?«
»Offiziell gar nichts. Wir möchten ihn nur um seine Mithilfe bitten«, antwortete Piccolo.
»Dafür gibt es keinen Grund, Dottoressa«, sagte Morandi, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Mit dem Ton, den er anschlug, hätte er auch die dümmste Auszubildende seiner Kanzlei angesprochen.
»Unter Ihren Angestellten waren zwei Personen bewaffnet und eine im Besitz von Kokain«, fuhr Piccolo fort.
»Das Kokain haben Sie nicht bei Signor Hagi gefunden, er hatte keine Ahnung davon. Und die beiden mit den Messern waren nicht in den Räumlichkeiten des
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