Du bist das Boese
Tages genehmigen.
Er gab dem Polizeipräsidenten ein Zeichen, weil er wusste, dass Floris immer eine halb gerauchte Zigarre bei sich trug.
Der lächelte. »Ich schließe mich Ihnen an.«
Im vierten Stock war der Autolärm nur noch gedämpft zu hören. Die Straßen waren hell erleuchtet und wimmelten von Passanten, die von einem Geschäft ins nächste strömten. Es war kalt, doch es regnete nicht mehr. Der Balkon war schmutzig, auf der Balustrade lag eine matschige Schicht aus Dreck und Staub.
»Ihr Verhältnis zu Dottor Pasquali ist wohl ein wenig angespannt«, bemerkte Floris.
»Ich werde mich bemühen, es zu verbessern«, gelobte Balistreri. Sein Schicksal hing jetzt einzig vom Polizeipräsidenten ab. Im Alleingang konnte Pasquali keine Suspendierung erwirken.
»Das ist wirklich schade«, fuhr Floris fort und zog an seiner Zigarre. »Bis zu der Angelegenheit mit Samantha Rossi haben Sie sich gut verstanden. Aber seit damals …«
»Seit damals verteidigen Sie mich. Warum eigentlich?«
Der Polizeipräsident nahm sich Zeit zum Nachdenken. »Das hat zwei Gründe«, erklärte er dann. »Erstens halte ich Sie für einen unserer besten Männer, was allerdings nach dem Fall Samantha Rossi nicht reichen würde. Und zweitens …« Er zögerte.
Floris gehörte zu den wenigen Eingeweihten. Balistreri malte ein R in den matschigen Staub.
»Es sieht so einfach aus, aber man muss eben schreiben können.«
»Richtig, und wir haben drei Analphabeten verhaftet«, ergänzte Floris.
Pasquali kam zurück ins Zimmer. Er begann, mit den Fingerkuppen auf die Armlehnen seines Sessels zu klopfen, was für jemanden wie ihn ein Zeichen größter Nervosität war.
»Wir haben ein Problem«, eröffnete er den beiden. »Das war Linda Nardi, die Journalistin. Als meine Sekretärin ihr sagte, dass ich jetzt nicht mit ihr sprechen könne, hat sie ihr aufgetragen, mir nur ein Stichwort auszurichten.«
»Nämlich?«, fragte der Polizeipräsident.
Pasquali fixierte Balistreri mit seinen ruhigen Augen. »Das Stichwort lautete: Kommissariat von Torre Spaccata.«
Der Polizeipräsident zuckte sichtlich zusammen, während Pasquali Balistreri nicht aus den Augen ließ.
Ja, zutrauen würdest du mir das schon. Aber du kannst nichts dagegen tun. Nicht jetzt.
Balistreri zeigte sich angemessen neugierig und besorgt. Er musste aufpassen, weder zu gleichgültig noch allzu beunruhigt zu wirken. Wenn der Polizeipräsident auch nur den leisesten Schimmer von dem bekam, was Pasquali bereits ahnte, war er geliefert.
»Und was hat sie gesagt?«, fragte der Polizeipräsident mit großer Besorgnis.
»Sie sagte, einer ihrer Informanten …«, bei diesem Wort verzog Pasquali den Mund, »… habe ihr heute Morgen von tumultartigen Szenen im Kommissariat von Torre Spaccata berichtet.«
Pasquali legte eine Pause ein und wartete auf eine Reaktion von Balistreri. Stattdessen ergriff der Polizeipräsident das Wort. »Das ist doch absurd. Keiner der Beteiligten kann ein Interesse daran haben …«
»Verzeihen Sie«, unterbrach Balistreri ihn. »Auf der Wache waren viele Polizisten und auch Bürger mit allen möglichen Anliegen. Leider hat Colajacono auf dem Flur eine große Szene gemacht, bevor Dottoressa Piccolo ihn bitten konnte, an einem diskreten Ort mit ihr zu reden.«
»So ein Idiot«, rutschte es Pasquali heraus. Er musste schon sehr wütend sein, denn diese Worte waren das Vulgärste, was Balistreri je von ihm gehört hatte.
»Da ist noch etwas«, redete Pasquali weiter. »Linda Nardi hat eine ihrer Redakteurinnen hingeschickt, und die will von einem Polizisten erfahren haben, dass es in dem Streit zwischen der Sondereinheit und Vicecommissario Colajacono um eine Vermisstenanzeige ging. Eine Rumänin habe das Verschwinden ihrer ebenfalls rumänischen Freundin gemeldet.«
»Was will die Frau denn?«, fragte der Polizeipräsident, der im Geiste schon die Schlagzeilen sah: »Menschen verschwinden, und Polizeibeamte streiten sich.«
Und damit wären sie noch gut bedient. Jemand wie Linda Nardi würde es nämlich nicht dabei belassen, da sie nicht nach Scoops suchte wie ihre Kollegen, sondern nach etwas sehr viel Gefährlicherem: der Wahrheit. Er würde den Bürgermeister bitten müssen, den Herausgeber der Zeitung anzurufen, oder besser gleich den Verleger.
Pasquali berichtete dem Polizeipräsidenten mit subtilem Sadismus, was Linda Nardi ihm am Telefon gesagt hatte. »Sie verlangt Einsicht in Ramonas Vermisstenanzeige. Ins Original.«
Balistreri
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