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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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hatte Mühe, sich ein Lächeln zu verkneifen. Den Clou mit dem Original hatte Linda Nardi eigenmächtig obendrauf gesetzt. Eine zusätzliche Ohrfeige. Die Ehrlosen behandeln wie Ehrlose.
    »Aber das können wir doch nicht machen …«, klagte der Polizeipräsident.
    »Wenn wir uns weigern, wird sie es morgen in ihrem Artikel öffentlich verlangen«, sagte Pasquali ruhig.
    Floris genehmigte sich ein ordentliches Glas Delamain. Er ließ sich in seinen Sessel fallen und zündete, ohne Pasquali um Erlaubnis zu fragen, seine Zigarre wieder an. Balistreri konnte seine Gedanken lesen. Der Artikel erscheint, und die gesamte Presse verlangt Aufklärung. Wir könnten uns weigern, da es schließlich um laufende Ermittlungen geht. Wenn aber Nardis Informant auch ausgeplaudert hat, dass Colajacono Ramona bei ihrem ersten Besuch weggeschickt hatte, verbunden mit der Warnung, ja nie wiederzukommen? Dann hätten sie ein ernsthaftes Problem. Allen voran der Polizeipräsident.
    Pasquali war zu demselben Schluss gekommen, nur schneller, während des Telefongesprächs nämlich schon. »Ich habe gesagt, dass ich von einem Streit nichts wüsste, dass es aber eine Untersuchung über die Umstände gebe, unter denen die Anzeige aufgenommen wurde. Die Anzeige selbst könne sie heute Abend nicht mehr sehen, aber morgen würde ich sie ihr zukommen lassen.«
    »Und darauf hat sie sich eingelassen?«, fragte der Polizeipräsident ängstlich und lobte im Geiste schon das große Verhandlungsgeschick, das Pasquali wieder einmal bewiesen hatte.
    »Vorher hat sie mir noch eine Frage gestellt. Sie wollte wissen, ob wir diese Zeit unter anderem dazu bräuchten, Colajacono und den Polizeibeamten zu verhören, der die Vermisstenanzeige zu Protokoll genommen habe.« Pasquali fixierte Balistreri. »Was ich natürlich bejaht habe.«
    Das wirst du mich teuer bezahlen lassen, ich weiß. Aber heute Abend läuft es nach meiner Nase. Beschwer dich bei dem Schutzengel auf deinem Balkon.
    Abend
    Bevor sie sich auf den Weg machten, wollte er sich noch eine Denkpause gönnen. Als er auf der obersten Treppe ankam, war er ein wenig aus der Puste. Er besaß einen Schlüssel zu der nunmehr ungenutzten Dachterrasse, auf der sich früher die Waschzuber und Wäscheleinen befunden hatten. Da das Gebäude an einer abschüssigen Straße lag, hatte man von hier oben einen Blick wie aus dem zehnten Stock eines Hochhauses. Mittlerweile war es dunkel und der Autolärm nur noch ein gedämpftes Rauschen. Zu seiner Rechten erblickte Balistreri den beleuchteten Quirinalspalast, den Sitz des Präsidenten mit der flatternden italienischen Flagge davor. Geradeaus sah man das weiße Nationaldenkmal für Viktor Emanuel II. und den Balkon des Duce auf der Piazza Venezia. Zur Linken folgten dann das Kolosseum und die Kaiserforen, und dazwischen zogen sich die Scheinwerfer der im Stau steckenden Autos entlang.
    Das Zentrum der neuen politischen Macht, die nach dem Skandal von Tangentopoli die traditionelle Parteienlandschaft abgelöst hatte. »Neu« in Anführungszeichen, denn wirklich neu waren nur die Probleme. Das wohlgenährte Land war überaltert, müde und faul. Der einzige Ausweg aus dieser Misere waren junge Einwanderer, vor denen man sich in Italien allerdings gewaltig fürchtete, zumal es keine Integrationspolitik gab, ganz zu schweigen von einem Wirtschaftskonzept, das eine solche hätte befördern können. Dafür thronte eine majestätische Kuppel auf dem Petersdom und erinnerte Rom und die Welt daran, welch unermessliche Macht sich hinter diesen Mauern auf kaum einem halben Quadratkilometer verbarg.
    Ich dachte, ich könnte die Welt verändern, wenigstens ein bisschen. Aber die Welt hat es nicht mal gemerkt und stattdessen mich verändert.
    Was er erlebte, war der Untergang des Abendlandes, der sich zur gleichen Zeit vollzog wie sein eigener körperlicher und geistiger Verfall. Seine aus Verantwortungslosigkeit und mit jugendlichem Leichtsinn begangenen Fehler hatten sich mit der Zeit in Sünden verwandelt. Und seine Träume hatten sich aufgelöst in einen Nebel von Reue.
    Langsam, aber unaufhaltsam, war er der Mensch geworden, der er nie hatte sein wollen – ein alter Bürokrat, der für Italien den Buckel krumm machte. Wie Teodori, sein früherer Chef.
    Wenn ich die Möglichkeit hätte, wieder Kind zu sein und noch einmal von vorn anzufangen, würde ich ablehnen. Was für eine unerträgliche Mühe.
    Unten vor dem Büro erwarteten ihn Corvu und Piccolo. In letzter Zeit machten

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